Wenn es Nacht wird in Manhattan
Essen hat Kalorien”, erwiderte er.
“Ja, aber Zucker hat den Nährwert von Pappe.”
“Kein Wunder, dass du so schlank bist.”
“Das liegt nicht am wenigen Essen, sondern am Stress.” Sie rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Die Bewegung schmerzte noch immer. “Filmen ist eine anstrengende Sache. Ein Actionfilm wie meiner verlangt ungeheuren körperlichen Einsatz – von Kampfsportarten bis zu Stunts …” Kaum hatte sie das gesagt, erinnerte sie sich an ihren Sturz sowie den damit verbundenen Verlust ihres Babys und ließ ihren Satz unvollendet.
Er bemerkte ihren leeren Blick. “Lass es”, sagte er sanft. “Man löst keine Probleme, wenn man zurückschaut. Es verursacht nur neue. An der Vergangenheit kannst du sowieso nichts ändern.”
Sie schob ein wenig Kartoffelsalat auf ihre Gabel und hob sie vorsichtig an die Lippen. “Ich bin noch nie zuvor schwanger gewesen.”
“Es hätte das Ende deiner Karriere bedeutet”, entgegnete er knapp.
“Sie hätten es in die Handlung einbauen können”, erklärte sie. “Das wäre nicht sehr schwer gewesen. Joel hat einmal sogar nachträglich eine Schwangerschaft ins Drehbuch geschrieben, nachdem die Hauptdarstellerin mitten in den Dreharbeiten ihre freudige Nachricht bekannt gemacht hatte.”
Er betrachtete sie neugierig. Sie machte nicht den Eindruck einer Frau, die Arbeit und Mutterpflichten nicht miteinander verbinden konnte. So, wie sie es sagte, klang es sogar sehr überzeugend.
Sie bemerkte seinen bohrenden Blick und lachte. “Keine Bange, du hast nichts zu befürchten. Ich kann mich nicht einmal mehr an das letzte Mal erinnern, als ich versucht habe, einen Mann zu schwängern.”
Sie hatte mit ihrer Antwort gewartet, bis er einen großen Schluck Tee genommen hatte. Wie vorherzusehen, prustete er ihn sofort wieder aus.
Sie lachte, während er fluchte, reichte ihm zwei Servietten und sah ihm zu, wie er sein weißes T-Shirt trocknete. “Tut mir leid”, sagte sie. “Aber ich musste es einfach sagen. Du hast so ernst ausgesehen.”
Er betrachtete sie lange. “Ich bin nicht sauer. Aber ich werde mich rächen.”
Sie unterdrückte ein Lachen. “Das riskiere ich. Es war die Sache wert.”
Er hob die Tasse erneut an seine Lippen und lächelte verstohlen. Was immer passieren mochte, während sie bei ihm wohnte – langweilig würde es bestimmt nicht werden.
11. KAPITEL
S andie Jewell war etwa Mitte fünfzig, groß und schlank. Sie hatte dunkle Augen, kurz geschnittene braune Locken und ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Tippy mochte sie sofort. Sie war das genaue Gegenteil einer matronenhaften Krankenschwester.
Sie kontrollierte Tippys Medikamente und achtete darauf, dass sie sie zu den vorgeschriebenen Zeiten einnahm, obwohl es sich nur um Antibiotika und eine Tablette für ihre Lunge handelte. Nach dem Abendessen kümmerte sie sich darum, dass Tippy sofort ins Bett ging, weil sie sich nach der langen Reise ausruhen musste.
Als Tippy versorgt war, schloss Sandie die Tür und ging in die Küche, um mit Cash zu reden.
“Schläft sie?”, fragte Cash und bot ihr einen Kaffee an, den sie dankend akzeptierte.
“Sie ist müde”, erwiderte Sandie, “und in ihren Lungen ist noch ein Nässestau. Morgen früh werde ich mit ihr einen Spaziergang machen und ihr viel Flüssigkeit zu trinken geben, damit sich die Sekrete verdünnen. Mein Gott, sie sieht aus, als hätte sie einen schweren Verkehrsunfall gehabt”, setzte sie kopfschüttelnd hinzu. “Ich werde nie verstehen, wie ein Mann so etwas einer Frau antun kann.”
“Wir haben doch beide genügend Fälle von häuslicher Gewalt kennengelernt”, erwiderte Cash. “Sie muss rund um die Uhr bewacht werden. Falls Stanton ihr einen Killer auf den Hals hetzt, dürfen wir uns nicht kalt erwischen lassen. Ich habe Ihre 45er samt Futteral vorsichtshalber im Badezimmerschrank versteckt, oberstes Fach, hinter den großen Handtüchern. Sie ist geladen.”
“Danke. Wenn ich sie gebrauchen muss, werde ich nicht danebenschießen”, versprach sie.
Er lächelte. “Ich weiß. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie bei ihr bleiben, Sandie. Es gibt niemanden, dem ich mehr vertraue.”
“Gehen Sie heute noch zum Dienst?”
“Ich hatte es schon vor …”
In dem Moment klingelte das Telefon. Schnell nahm er den Hörer ab, ehe Tippy durch das Läuten geweckt werden konnte. “Grier”, meldete er sich.
“Hallo Chef, Sie sollten besser sofort kommen”, sagte einer seiner Officer. “Wir haben
Weitere Kostenlose Bücher