Wenn es Nacht wird in Miami
ausschlagen. Ich bin mir nicht sicher, an welchem Ende ich mich gerade befinde.“ Carly warf den Kopf in den Nacken. „Ich werde Della Bescheid sagen, dass du gekommen bist, damit sie mit dem Abendessen anfangen kann. Wir hatten dich nicht so früh erwartet.“ Damit machte sie mit Rhett auf dem Arm kehrt und verschwand durch die hohen Terrassentüren.
Wieder abgeblitzt. Er hatte gewusst, dass Carly eine harte Nuss sein würde. Insgeheim bewunderte Mitch sogar ihre Standhaftigkeit. So leicht ließ sie sich nicht einfangen. Da musste er sich schon etwas Besonderes einfallen lassen. Aber warum lag ihm plötzlich so viel daran?
„Kann ich dir einen Drink anbieten?“
Carly, die neben dem Kinderbett stand, drehte sich zur Tür um, legte den Zeigefinger auf die Lippen und machte „Psst!“ zu Mitch, der am Türpfosten lehnte. Es hatte an diesem Abend viel Mühe gekostet, Rhett zur Ruhe zu bringen.
Mitch ging zurück auf den Flur und wartete, bis Carly nachkam. Carly blieb noch eine Weile im Kinderzimmer, um ihre Gedanken zu ordnen. Die Veränderung, die mit Mitch vor sich ging, war erstaunlich. Seit einer Woche, dem Freitagabend, als sie im Jachtclub gegessen hatten, hatte Mitch kein Frühstück und kein Abendessen auf Kincaid Manor mehr ausgelassen. Della hatte ihr berichtet, dass das schon lange nicht mehr vorgekommen war. Rhett genoss diesen Zustand sehr. Er freute sich immer, Mitch zu sehen. Und Carly musste sich eingestehen, dass auch sie es schön fand, wenn sie zusammen am Tisch saßen.
Langsam ging sie zu Mitch hinaus auf den Flur. Erst jetzt stellte sie fest, dass er sich umgezogen hatte. Statt des dunklen Anzugs, den er heute im Büro getragen hatte – trotz des 4. Juli, des Nationalfeiertags, hatte Mitch natürlich gearbeitet –, trug er ein schwarzes Polohemd und eine Jeans.
„War es schwierig heute?“ Mitchs dunkle Sandpapierstimme bescherte Carly eine Gänsehaut. „Er bekommt Zähne, und das macht ihm zu schaffen“, erklärte sie. „Ich habe ihm eine ganze leichte Dosis Schmerzmittel gegeben, um ihm das Einschlafen ein wenig zu erleichtern.“
Schon beim Abendessen war Rhett zappelig und unleidlich gewesen. Aber Mitch hatte tapfer durchgehalten und die Geduld nicht verloren. Er macht Fortschritte, dachte Carly.
„Trink ein Glas Wein mit mir auf der Terrasse. Das wird dich entspannen.“ Mitch deutete auf das Babyfon an ihrem Gürtel. „Wir haben ja alles unter Kontrolle.“
Carly zögerte und biss sich nervös auf die Unterlippe. Das Angebot klang verlockend. Trotzdem warnte sie eine innere Stimme. Auch wenn Mitch Kincaid in letzter Zeit erstaunlich zuvorkommend war und an diesem Abend schon wieder unwiderstehlich gut aussah, musste sie auf der Hut sein. Sie wusste gut genug, dass dieser Mann nichts ohne Berechnung tat.
„Okay, meinetwegen“, sagte sie schließlich.
Sie gingen gemeinsam die Treppe hinunter, zuerst in die Küche, wo Mitch eine Flasche, zwei Gläser und einen Korkenzieher vom Tresen nahm, und dann hinaus ins Freie. Die Steinplatten waren noch warm von der Hitze des Tages. Die Terrasse war von einem Dutzend Gartenfackeln erleuchtet, und der Duft der Zitronenbäume und des frisch gepflanzten Sommerflieders erfüllte die Luft.
„Du musst dir ja ziemlich sicher gewesen sein, dass ich deine Einladung annehme“, sagte Carly, als sie die Vorbereitungen sah, die Mitch getroffen hatte.
„Ich habe mir einfach gedacht, du könntest heute Abend einen Drink ebenso gut gebrauchen wie ich.“
Sie seufzte. „Das stimmt. Gott sei Dank ist Rhett nicht immer so anstrengend.“
„Ich weiß.“
Mitch lud sie mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen. Vor einem gepolsterten Korbsofa stand ein kleiner, rechteckiger Tisch, auf dem eine Kerze brannte und ein in Geschenkpapier eingeschlagenes Päckchen lag. Carly schaute es mit einer Mischung aus Verwunderung und Misstrauen an. Die ganze Inszenierung einschließlich lauer Sommernacht und Mondschein kam ihr entschieden zu perfekt vor. Sie hätte Mitchs Angebot nicht annehmen sollen, aber nun war es zu spät. Sie würde ihr Glas austrinken und dann so schnell wie möglich verschwinden.
Er hatte inzwischen eingeschenkt und hielt ihr das Glas hin. „Auf die ersten zwei erfolgreichen Wochen unserer Wohngemeinschaft.“
Sie nahm das Glas und stieß mit ihm an. „Ja, sowie auf die fünfzig, die noch folgen.“ Das hoffte Carly wenigstens in Rhetts Interesse.
Mitch ließ sie nicht aus den Augen, während sie tranken. Sie war keine
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