Wenn es Nacht wird in Miami
nicht zugetraut. Gleichzeitig musste sie daran denken, dass es der erste Geburtstag war, den sie nicht mit Marlene zusammen feiern konnte. Ihrer Schwester hätte der bunte Schmuck gefallen. Marlene liebte große Gesten.
Mitch schien ihre Gedanken zu erraten und drückte Carly fester an sich. „Nadia hat mir verraten, dass eine Frau ab einem gewissen Alter auf die Kerzen auf der Torte gern verzichtet. Luftballons hingegen sind unverfänglich. Davon kann man nicht genug haben. Leider kenne ich deine Lieblingsfarbe immer noch nicht. Deshalb siehst du hier alles bunt durcheinander.“
„Meine Lieblingsfarbe ist Blau“, verriet Carly. Blau – wie langweilig, irgendwie konservativ, dachte sie.
„Bongs! Bongs!“, krähte Rhett Mitch munter entgegen.
„Er meint bestimmt die Luftballons“, vermutete Mitch.
„Oh ja, Rhett liebt Luftballons.“ Ein Knistern hinter ihrem Rücken machte sie neugierig, und sie drehte sich zu Mitch um.
Er hielt einen riesigen Strauß langstieliger Rosen in der Hand und reichte ihn ihr. „Achtundzwanzig, für jedes Jahr eine. Blaue sind leider nicht dabei.“ Sonst waren alle Farben vom unschuldigsten Weiß bis zum tiefsten Purpur vertreten.
„Wie schön!“, rief Carly aus. Auch davon wäre Marlene begeistert gewesen. Schnell schob Carly den Gedanken beiseite. Sie wollte sich mit Mitch und Rhett freuen und nicht anfangen zu weinen. Sie steckte die Nase tief in den Strauß, sog den köstlichen Duft ein und konnte so auch die Trauer in ihrem Blick verbergen.
Carly räusperte sich. „Woher wusstest du …?“
Mitch zuckte lächelnd die Achseln. „Ich glaube, Tina hat auf dem Kindergeburtstag so eine Bemerkung gemacht.“
„Danke, Mitch. Das ist sehr lieb von dir.“ Sie sah ihn an und zwang sich zu lächeln.
Mitch nahm ihr den Strauß ab und legte ihn auf den Tisch. Dann umrahmte er ihr Gesicht mit den Händen und sah ihr in die Augen. „Was ist?“
Carly schüttelte den Kopf. „Nichts“, antwortete sie tapfer.
Wie konnte man so glücklich und traurig zugleich sein?
„Du denkst an Marlene, stimmt’s?“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Nicht nur sein Einfühlungsvermögen überraschte sie, sondern auch die Tatsache, dass er den Namen ihrer Schwester zum ersten Mal ohne diesen verächtlichen Unterton aussprach, der sonst immer mitschwang, wenn er über sie redete. „Ja“, antwortete sie ehrlich.
Zärtlich berührte er ihre Wange. Dann umfasste er ihre Hände. Carly schloss für einen Moment die Augen. Es war ein wunderbares, warmes Gefühl, gerade jetzt von ihm getröstet zu werden.
„Ich habe mir so etwas gedacht, als du dich heute Morgen aus dem Zimmer geschlichen hast.“
Natürlich hatte er es gemerkt. Seit Sonntag war sie jeden Morgen an Mitchs Seite aufgewacht, geweckt von Küssen und Liebkosungen. Was darauf regelmäßig folgte, war unbeschreiblich.
„Heute ist es das erste Mal, dass sie nicht … da ist. Sonst haben wir wenigstens an diesem Tag lange miteinander telefoniert. Ich vermisse sie so …“ Carly schluckte vergebens. Das Gefühl, dass sie einen Kloß im Hals hatte, ließ sich nicht vertreiben.
Mitch drückte ihre Hände. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst. Ich habe mich mit meinem Vater bestimmt nicht immer gut verstanden. Und trotzdem fehlt er mir, und jeden Tag fällt mir etwas ein, was ich ihm gern sagen oder zeigen würde.“ Sein Blick fiel dabei auf Rhett, der noch immer fasziniert die Ballons bestaunte. „Es ist ein Jammer, dass er den Kleinen nicht mehr richtig kennenlernen konnte.“ Mitchs Stimme klang nun auch etwas bedrückt.
Mein Gott, wie ich ihn liebe.
Sie liebte diesen Mann. Es gab gar keinen Zweifel. Wie ein Blitz schlug die Gewissheit bei ihr ein. Ihr Herz begann, wie wild zu klopfen. Und sie war sicher, dass er es ihr ansehen musste. Was in ihr vorging, stand ihr bestimmt wie auf die Stirn geschrieben im Gesicht. Vorsichtig sah sie Mitch an, dessen Miene sonst nie verriet, was er dachte. Aber eben gerade hatte er Gefühle gezeigt, als er von seinem Vater gesprochen hatte. Carly nahm sich vor, diesen seltenen, kostbaren Moment in ihrem Herzen zu bewahren.
Eine Zeit lang standen sie schweigend da, dann lächelte Mitch und sagte: „Kannst du dich heute nicht krankmelden? Wir schwänzen und machen uns beide einen schönen Tag am Strand oder am Pool, oder vielleicht … im Bett? Was immer du möchtest.“
Der Gedanke war verlockend, aber Carly lehnte ab. „Es geht nicht, Mitch. Ich musste schon wegen der
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