Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
kaute nach denklich auf meiner Zahnbürste. Ich ging zurück in mein Pseudo-Bad und spülte mir den Mund aus. Im Spiegel über dem Waschbecken sah ich den Ausdruck in meinen Augen. Mein Herz hämmerte wie wild.
Aus dem Schlafzimmer holte ich die Jeans, die ich gestern angehabt hatte und in deren hinterer Hosentasche Dylans Handy steckte. Ich verglich die unter GARLAND eingespeicherte Nummer mit der, die ich auf der Kreditkartenabrechnung notiert hatte.
Ich kletterte die Stufen zum Steuerhaus hinauf und spähte über die Boote hinweg zum Büro. Niemand war zu sehen. Der Hafen war menschenleer, die Boote vom Sonnenlicht überflutet. Ich konnte die Tür zum Duschraum von hier aus nicht erkennen, Jim war bereits darin verschwunden.
Als ich wieder in der Kabine war, nahm ich Jims Handy und schaltete das Display an.
Ein Anruf in Abwesenheit.
Ich scrollte mich durch ein mir unbekanntes Menü – Anrufliste? Das war es – und da waren sie auch … Die Anrufe in Abwesenheit. Und ich erkannte die letzte Nummer.
Ich drückte auf die grüne Taste und hörte gleich darauf einen Klingelton.
Und dann –
»Ja?«
Ich erstarrte und presste das Handy ans Ohr. Nur das eine Wort – konnte das denn sein?
»Dylan?«
»Wer ist dran?«
Er war es, kein Zweifel möglich. »Ich bin’s.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Ich hatte fast erwartet, dass er »Wer?« fragen würde, doch das tat er nicht. Er kannte meine Stimme so gut wie ich seine.
»Wo ist Jim?«, fragte er.
»Warte mal – wieso zum Teufel kennst du Jim? Und warum ist dein Handy immer aus? Und wo zum Henker bist du eigentlich? Und was soll ich mit diesem … diesem Päckchen tun, das du mir gegeben hast?«
Trotz des aufkommenden Windes konnte ich hören, wie er seufzte.
»Du musst mir vertrauen«, sagte er.
»Wie soll ich dir vertrauen, wenn du nie ans verdammte Telefon gehst? Männer waren auf meinem Boot. Sie haben mich gefesselt.«
Er zögerte, bevor er antwortete. Vermutlich wusste er es ohnehin schon. Er hatte genug Zeit mit Nicks und den anderen verbracht und wusste, wie es in Fitz’ Welt zuging. Trotzdem stellte er sich dumm.
»Was soll das heißen, sie haben dich gefesselt? Ist alles in Ordnung?«
»Jetzt schon. Dylan, ich habe Angst! Was soll ich denn machen? Was willst du von mir?«
»Ist Jim da?«, fragte er.
»Nein, ist er nicht!«
»Sag ihm, er soll mich anrufen, wenn er wieder da ist.«
»Dylan! Was ist eigentlich los?«
Doch da hatte er schon aufgelegt.
Plötzlich hörte ich ein dumpfes Geräusch hinter mir. Jim stand an der Treppe, seine Haare waren nass, in einer Hand hatte er das Handtuch, in der anderen seine Schuhe. Er sah mich vorwurfsvoll an.
»Was zum Teufel ist hier los?«, rief ich.
»Ist das mein Handy?«
Er machte einen Schritt auf mich zu, nahm mir das Handy ab und fummelte an den Tasten herum. Ich erwartete, dass er etwas sagte oder mich anschrie, doch stattdessen hielt er das Handy ans Ohr.
»Ja, ich bin’s«, sagte er, als die Verbindung hergestellt war. »Ich weiß. Wo bist du? … Ja, natürlich kannst du das …«
Dann sah er mich an. Ich hörte Dylans Stimme durchs Telefon, konnte aber nicht verstehen, was er sagte.
»Es geht ihr gut. Nein, selbstverständlich nicht. Bleibt es dabei wie ausgemacht? Wann? … Alles klar. Ich überlege mir was. Okay, Kumpel. Bis bald.« Während des Gesprächs ließ er mich nicht aus den Augen. Obwohl ich zu Recht sauer war, weil man mich an der Nase herumgeführt hatte, hatte ich plötzlich ein schlechtes Gewissen, weil ich sein Handy genommen hatte. Aber noch schlimmer war, dass er mit halb aufgeknöpften Jeans und feuchten Haaren in meiner Kabine stand.
»Genevieve –«, sagte er.
»Nein«, sagte ich. »Das ist alles gelogen. Warum …?«
Er schüttelte den Kopf.
»Du benutzt mich«, sagte ich.
»Nein.«
»Du benutzt mich, um an Dylan ranzukommen.«
»Wie bitte? Mach dich nicht lächerlich. Wen hat er denn gerade angerufen, dich oder mich?«
Das tat weh, mehr als ein Schlag ins Gesicht. »Du Arschloch. Du Schwein.« Tränen stiegen mir in die Augen, und ich ballte die Fäuste.
»Genevieve! So war das nicht gemeint …«
»Warum sagt mir niemand, was eigentlich los ist?«
Ich ertrug seinen Anblick nicht länger. Ich ging zurück in den Schlafraum und wollte die Tür hinter mir schließen. Doch er hielt mich am Arm fest und drehte mich zu sich um.
»Geh nicht weg«, sagte er.
Sein Gesicht war jetzt ganz nah vor meinem. Ich spürte seinen Atem auf
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