Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
getan.«
»Ja, das sagst du. Aber sie haben dein Päckchen noch nicht in die Finger gekriegt.«
»Nein.«
»Ich gehe jetzt lieber«, sagte er und eilte zur Treppe. »Ruf mich, wenn du was brauchst.«
»Machen wir diese Bootsfahrt?«, fragte ich. »Wie wär’s morgen?«
»Ja, klar«, sagte er. Von der Tür aus winkte er mir zum Abschied noch mal zu und verschwand.
Ich sah auf mein Handy und überlegte, Jim anzurufen. Ich setzte mich eine Weile vor den Ofen und wärmte mich auf. Ständig musste ich an Caddy denken. An ihr Ende, daran, wie sie sich gefühlt haben musste. Hatte es wehgetan? Hatte sie Zeit gehabt, Schmerz oder Angst zu empfinden? Hatte sie gewusst, dass sie sterben würde? Und die ganze Zeit über war ich in der Nähe gewesen und hatte keine Ahnung gehabt.
Ich stand auf und streckte mich. Alles tat mir weh, mein Nacken war steif, ich konnte meinen Kopf kaum drehen. Ich machte das Licht aus, schloss die Steuerhaustür und ging ins Bett.
35
Ich wurde früh wach, blieb im grauen Dämmerlicht liegen und überlegte, was mich geweckt hatte. Dann hörte ich ein Scharren an Deck, den Ruf einer Möwe, der leiser wurde, als sie wegflog. Ich versuchte wieder einzuschlafen, allerdings ohne Erfolg. Auf dem Boot war es zu ruhig, als dass ich auf den Morgen hätte warten können.
Ich stand auf, zog mich an und setzte Kaffeewasser auf. Dann machte ich den Holzofen an. Das Knacken des Holzes leistete mir Gesellschaft, während ich auf das Kaffeewasser wartete. Ich suchte nach etwas Essbarem und machte mir mit einem steinharten Stück Brot einen Toast. Ich musste unbedingt einkaufen gehen.
Ich überlegte, ob ich irgendetwas am Boot machen konnte, wofür ich so früh am Morgen kein Elektrowerkzeug brauchte, als mir der schwarze Plastiksack mit den Stoffen einfiel, den ich vor meiner Einweihungsparty in den Lager raum geworfen hatte. Vielleicht konnte ich ein paar Vorhänge für die Bullaugen nähen, damit die schwarzen Kreise bedeckt wurden, die mich zunehmend störten.
Nachdem ich meinen Kaffee ausgetrunken hatte, wollte ich den Sack mit den Stoffen holen. Ich öffnete die Luke und kletterte in der Dunkelheit die drei Stufen hinunter zum Bug, bis ich neben der Kiste saß, auf der KÜCHENSACHEN stand.
Ich tippte die Kiste mit den Fingern an. Sie bewegte sich. Ich stieß sie erneut an, sie kippte um.
Nein, nein, da war etwas ganz und gar nicht in Ordnung.
Ohne lange nachzudenken, nahm ich den Karton und kippte seinen Inhalt auf meinen Schoß, der Rest fiel in den Raum unter dem leicht gebogenen Bug.
Der doppelte Boden der Kiste gab nach, und darunter war – nichts.
Es war weg. Das Päckchen war verschwunden.
Ich stieß den leeren Karton beiseite, blieb im Halbdunkel sitzen und versuchte nachzudenken. Erschöpfung und Angst hinderten mich daran. Wer war hier gewesen? Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal den Lagerraum kontrolliert hatte – ob ich den Karton wirklich angefasst oder ihn nur gesehen hatte, so wie das letzte Mal, als Jim hier gewesen war und ich gedacht hatte, es wäre alles in Ordnung. Das musste am Donnerstag gewesen sein, da war ich mir ziemlich sicher, und heute war Montag. Es war also möglich, dass er schon ein paar Tage leer war. Hatte die Polizei das Päckchen mitgenommen? Falls sie es gefunden hatte, warum zum Teufel hatte sie mich dann nicht festgenommen?
Ich kroch wieder aus dem Bug und verschloss die Luke hinter mir. Ich kehrte in den Wohnraum zurück, holte Dylans Handy hervor und wählte seine Nummer. Ich machte mir keine Hoffnungen, dass er rangehen würde, und hörte zum x-ten Mal die Stimme, die sagte, sein Handy sei aus. Zum Teufel mit ihm!
Ich ging in der Kabine auf und ab, wartete auf den Morgen und überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Dylan hatte mir das Paket zur Aufbewahrung gegeben, und jetzt war es weg. Jemand hatte es genommen. Irgendwer war auf mein Boot gekommen, vielleicht als ich auf dem Polizeirevier war oder vergangene Nacht, als ich mich versteckt hatte. Ich hatte Dylan enttäuscht. Es war alles ein einziges Chaos.
Ich überlegte erneut, Jim anzurufen, doch wozu sollte das führen? Ich konnte ihm nicht erzählen, dass das Päckchen verschwunden war, denn dann hätte ich seine Existenz eingestehen und mich in etwas hineinziehen lassen müssen, egal, was es war.
Ich wollte von Bord gehen. Es war inzwischen hell geworden. Ich brauchte frische Luft, wollte raus in die normale Welt, wo es Dinge wie fehlende Päckchen voller Kokain
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