Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
Fenster. »Kommst du mit?«
»Nö.«
»Ganz wie du willst«, sagte ich und kletterte auf den Beifahrersitz. »Wenn das so ist, kannst du mich ja hinfahren und stundenlang davor warten, während ich mich volllaufen lasse.«
Das Bull’s Head in der Chislehurst High Street war gerammelt voll, und obwohl die meisten Trauergäste draußen im Garten standen, hatte ich Dylan schließlich doch noch überreden können, mit reinzukommen. Ich hatte bereits zwanzig Minuten lang einsam und verloren dagestanden, an meinem Wodka genippt und wollte Gesellschaft.
»Du musst ja mit niemandem reden«, sagte ich und zog ihn mit.
»Ganz genau.«
Er wartete an der Bar und holte mir noch einen Drink, als ich Beverley Davies wiedersah. Ich drehte mich weg. Dylan hatte mit Jim gesprochen, das wusste ich. Jim hatte jahrelang mit Dylan zusammengearbeitet, doch die beiden waren mehr als nur Kollegen. Ich hätte gedacht, dass sie sich wegen mir streiten würden, doch offenbar hatte ich meinen Stellenwert überschätzt. Dylan schien davon überzeugt zu sein, dass ich mit Jim zusammen sein sollte. Obwohl er sein Leben riskiert hatte, um mich zu beschützen, ging er mir aus dem Weg, seit man ihn aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Er lehnte es ab, mit mir zu reden. Nichts ließ auf seine Gefühle schließen – darauf, ob er mich mochte, ob er mich je gemocht hatte. Und je kühler und distanzierter er war, desto mehr begehrte ich ihn. Das war ein heilloses Chaos, für das es keine Lösung zu geben schien.
Wir standen verlegen im Biergarten herum, meine Absätze versanken im Gras, sodass ich auf Zehenspitzen stehen musste.
»Also«, sagte ich, »wann fährst du nach Spanien?«
»Bald.«
»Und was ist, wenn ich dich brauche?«
»Du brauchst mich nicht.«
»Aber was ist, wenn irgendwas passiert? Was, wenn ich mit dir reden muss?«
Er seufzte.
»Verdammt noch mal! Jim weiß, wo ich hingehe. Er ist der Einzige, der Bescheid weiß. Also, im Notfall – den es aber nicht geben wird – weiß Jim, wo ich bin. Alles klar?«
»Sehen wir uns noch mal, bevor du gehst?«
»Du gibst wohl nie auf, was?«
»Nein«, sagte ich. »Nie. Ganz im Gegensatz zu dir.«
Er nahm drei große Schlucke von seinem Bier. »Was soll denn das schon wieder heißen?«
»Du hast mich aufgegeben.«
»Ich hatte dich ja nie«, sagte er.
»Ich bleibe nicht ohne dich hier zurück, Dylan.«
Er wartete ein paar Sekunden, musterte die Gesichter der Leute im Biergarten und schien darauf zu warten, jemanden zu entdecken, den er kannte.
»Du hast Jim.«
»Jim hat meinetwegen ein Disziplinarverfahren am Hals«, sagte ich.
»Das ist bald vergessen.«
»Außerdem will er mich nicht, Dylan.«
Er zog eine Braue hoch. »Die arme Sau will nur, dass du das denkst, er hat sich in dich verliebt. Aber viel schlimmer ist, dass er sich die Schuld an allem gibt.«
»Nun, es war aber nicht seine Schuld, sondern meine.«
»Es wäre vermutlich nicht so schlimm gekommen, wenn du nicht mit ihm geschlafen hättest.«
Das saß. Ich wurde rot und biss die Zähne zusammen. Ich wollte nicht darauf reagieren. Ich steckte es ein und spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich sah weg, in den vollen Biergarten und die Gesichter, die vor meinen Augen verschwammen.
»Nun«, sagte ich schließlich, »da ich dir egal bin, spielt es auch keine Rolle mehr.«
»Wer sagt denn, dass du mir egal bist?«
»Warum bist du nur so starrköpfig? Was ist bloß mit dir los?«, fragte ich und versuchte, mein Gesicht in sein Blickfeld zu schieben. »Dylan?«
Er trank sein Bier aus, stellte es auf einem Plastikmülleimer ab und lief durch das Tor auf den Parkplatz. Ich rannte ihm nach und versuchte, Schritt mit ihm zu halten, doch da saß er schon im Auto und ließ den Motor an. Mit quietschenden Reifen fuhr er über den Kies direkt auf mich zu.
Ich stand auf dem Parkplatz und rührte mich nicht von der Stelle, als der Wagen mit rasender Geschwindigkeit auf mich zufuhr. Er machte eine Vollbremsung und blieb nur wenige Meter vor meinen Knien stehen.
Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu.
Keiner von uns beiden sagte ein Wort.
Er raste zum Bahnhof von Bromley zurück. Ich hatte das Gefühl, als liefe mir die Zeit davon. »Hör zu«, sagte ich schließlich, »könntest du mich nach Hause fahren? Ich will nicht den Zug nehmen.«
»Die öffentlichen Verkehrsmittel sind jetzt wohl unter deiner Würde, was?«
»Nein, ich habe zu viel getrunken und will so nicht im Zug
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