Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
Pulli aus der Schmutzwäsche. Im Boot war es jetzt kalt, der Ofen schon lang erloschen. Direkt hinter der Falltür zum Lagerraum lag meine starke, durch Gummi geschützte Taschenlampe. Ich hatte mal eine Maglite-Lampe besessen, doch die war mir in der ersten Woche auf dem Boot ins Wasser gefallen, und ich hatte sie nicht mehr gefunden. Eine der ersten Weisheiten, mit denen Malcolm aufgewartet hatte, lautete: »Befestige an allem, was dir wichtig ist, einen Schwimmer.«
Frierend öffnete ich die Tür zum Steuerhaus. Hier oben war es bitterkalt, der Himmel leuchtete fahl. Ich zog meine Schlappen an, die neben dem Steuerrad standen; sie waren feucht und kalt, aber das war immer noch besser, als barfuß über die nassen Planken zu laufen.
Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die Boote im Hafen lagen ruhig im Dunkeln da. Die Boote diesseits des Pontons hoben und senkten sich mit der einsetzenden Ebbe, und die in Ufernähe saßen bereits auf der Schlammbank des Flusses.
Zu meinem Erstaunen hörte ich auf dem Parkplatz plötzlich ein Geräusch – war das eine Autotür? Dann wurde ein Wagen angelassen, und Reifen knirschten auf dem Kies. Seine dunklen Umrisse waren kurz zu sehen, als er den Parkplatz verließ. Weder die Bremslichter noch die Scheinwerfer waren an. Warum fuhr das Auto ohne Licht? Und warum war trotz der Bewegungsmelder die Parkplatzbeleuchtung nicht angegangen? Mir fiel ein, dass sich mal irgendwer bei Cam beschwert hatte, weil das Parkplatzlicht in seine Kajüte fiel, sobald sich Füchse bei den Mülltonnen herumtrieben. Die Lösung hatte darin bestanden, die Mülltonnen zu verschieben. Wenn also jemand auf den Parkplatz kam, hätten die Lichter doch angehen müssen?
Alles war still, nur das Plätschern des Wassers war zu hören. Selbst von der Autobahnbrücke war kein Lärm zu vernehmen. Da war es wieder, das leise Stoßen, begleitet von einem sanften Plätschern, wenn eine Welle darüberschlug. Es musste sich um etwas Großes handeln.
Ich kroch auf der Hafenseite das Seitendeck entlang und hielt mich dabei an der Kajüte fest. Ich war immer noch ein wenig betrunken, und vom sanften Schaukeln des Bootes wurde mir übel.
Aus irgendeinem Grund hatte ich Angst. Hier draußen, weit weg von London, hatte ich das Gefühl, dass man um diese Zeit lieber nicht an Deck sein sollte.
Als ich ungefähr auf der Höhe meines Schlafzimmers stand, machte ich die Taschenlampe an, die einen überraschend hellen Lichtkegel auf die gewaltigen Nadelbäume hinter dem Hafenbüro warf. Dann richtete ich sie auf die Lücke zwischen der Revenge of the Tide und dem Ponton.
Zuerst konnte ich nicht erkennen, worum es sich handelte.
Es schien ein Bündel zu sein. Irgendetwas, das in Stoff gehüllt war.
Mein erster, absurder Gedanke galt dem schwarzen Plastiksack mit Stoffen, den ich achtlos in den Lagerraum unter den Bug geworfen hatte. Doch der konnte es nicht sein. Das Bündel hier war offensichtlich schwer, denn es bewegte sich nur träge im Wasser. Es trieb auf dem Wasser und schlug seitlich genau dort an den Rumpf, wo mein Bett stand.
Ich ging zum Steuerhaus zurück und holte den Bootshaken, der, soweit ich das wusste, noch nie benutzt worden war und zum Boot gehörte. Jedenfalls hatte ich ihn noch nie benutzt – denn seit ich hier wohnte, hatte die Revenge den Ankerplatz noch nie verlassen. Der Bootshaken war schwer und sperrig, deshalb überlegte ich kurz, aufzugeben und mich mit einer Decke aufs Sofa zu legen, doch das hätte mir nichts genutzt. Das Stoßen war regelmäßig, aber nicht regelmäßig genug – das Unrhythmische daran würde mich langsam, aber sicher in den Wahnsinn treiben.
Ich klemmte den Bootshaken unter den Arm und nahm die Taschenlampe in die linke Hand, doch der Haken war zu schwer – ich brauchte beide Hände, um ihn zu tragen. Ich legte die Taschenlampe auf das Kabinendach, sodass ihr Lichtstrahl über die Dächer der Kanalboote bis zum Büro fiel.
Ich stocherte so lange mit dem Haken herum, bis er auf das Bündel traf. Ich stieß hinein. Der Gegenstand war fest und schwer. Ich versuchte ein paar Mal, ihn zu mir zu ziehen, doch als ich ihn endlich erwischt hatte, erwies er sich als zu schwer, und ich konnte ihn nicht hochheben. Ich spürte, wie sich das Bündel drehte und mir fast die Stange aus der Hand riss, also drehte ich es so lange, bis es frei war und am Seitendeck ein wenig aus dem Wasser ragte.
Etwas Helles, Formloses tauchte auf, das irgendwie zu dem Bündel gehörte
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