Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
im Club auf eine Art und Weise auf den Punkt, wie ich nie dazu in der Lage gewesen wäre.
Am ersten Abend im Barclay verdiente ich nach Abzug meiner Abgaben zweihundert Pfund. Ich hatte mich amüsiert, eine ziemlich gute Leistung abgeliefert und mich gerne mit den Gästen unterhalten. Und ich hatte eine neue Freundin gefunden. Damals dachte ich noch, dass es ein Kinderspiel werden würde.
Ich hatte ja keine Ahnung gehabt.
Als ich aufwachte, regnete es. Ich hatte die Morgendämmerung verschlafen, genau die Stunden, in denen das Licht durch die Luke über mir fiel und mich normalerweise weckte. Es war fast zehn.
Ich zog meine Regenjacke an und ging mit einer Tüte zum Büro. Mein Fahrrad stand im Lagerraum hinter dem Hauptgebäude. Ich schloss es auf und fuhr in den Ort, während mir der Regen stechend ins Gesicht peitschte.
Rochester war ein hübsches Städtchen, sogar bei Regen. Ich kettete mein Fahrrad an einen Fahrradständer und schlenderte an den Pubs und dem indischen Restaurant vorbei. Heute war Markt. Entlang der Hauptstraße wurden ita lienische Spezialitäten feilgeboten. Manche Stände hatten schon geschlossen und Planen über ihre Oliventöpfe und Körbe mit frischem Brot gelegt. Ich sah mir Käse und Gläser mit Gewürzen und Chutney an. An einer Ecke entdeckte ich einen Stand, an dem heiße Bauernwürste im Baguette verkaufte wurden. Sie dufteten verführerisch, ich kaufte mir eine, doch nach ein paar Bissen merkte ich, dass ich immer noch keinen Appetit hatte. Ich graste die Wohltätigkeitsgeschäfte und Modernen Antiquariate ab und suchte nach Brauchbarem für mein Boot. Für Krimskrams hatte ich keinen Platz.
Es regnete unaufhörlich. Ich ging den Hügel hinauf zum Schloss, über das Schlossgrundstück und wieder hinunter zur Kirche. Ich wollte so lange laufen, bis ich todmüde war.
Ich fühlte mich einsam. Aber nach Malcolms und Josies Gesellschaft war mir nicht, so nett sie auch waren. Ich brauchte jemanden, der wusste, wer ich war und was in London passiert war. Ich brauchte Dylan. Am liebsten hätte ich ihn noch einmal angerufen und gefragt, was genau im Club vorgefallen war, wie Caddy ausgesehen und was sie gesagt hatte, denn seit meinem letzten Tag dort hatte ich sie nicht mehr gesehen und erst wieder tot im Wasser entdeckt.
Doch ich bekam seine Stimme, den Tonfall, als ich ihn angerufen hatte, nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte mich über seine Anweisungen hinweggesetzt. Und das hatte ihn verärgert. Wo war er? Und wenn ihm was zugestoßen war, würde ich es je erfahren?
Als ich zum Boot zurückkam, machte ich mir ein heißes Getränk, setzte mich in die Essnische und starrte auf Dylans Telefon und Carlings Nummer, die er auf das Stück Papier gekritzelt hatte.
Verdammt , dachte ich und griff nach dem Telefon.
Doch diesmal klingelte es erst gar nicht. Ich hatte auch nicht die Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen.
Die gewünschte Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar, bitte versuchen Sie es später noch einmal.
11
Als ich Dylan zum ersten Mal begegnete, hatte ich Angst vor ihm, auch wenn ich das nicht zeigte.
Ich trat bereits seit zwei Wochen im Barclay auf und hatte mich an jenem Samstagabend mit Caddy auf einen Drink verabredet. Voller Elan war ich aufgewacht und hatte beschlossen, vorher noch in den Barclay Club zu gehen und etwas zu üben. Ich hatte nicht im Traum damit gerechnet, dass das unüblich war – ich wollte einfach meine Zeit nutzen, obwohl ich erst um vier Uhr früh ins Bett gegangen war.
Der Barclay Club war geschlossen, also klingelte ich und wartete ab. Dann klingelte ich noch einmal, klopfte an, setzte mich schließlich auf die Stufen und überlegte, was ich tun sollte. Ich trug Kopfhörer und hörte mir Songs an, zu denen ich eventuell tanzen konnte, und so hatte ich nicht bemerkt, dass Dylan herausgekommen war, bis er mir einen leichten Tritt in den Hintern versetzte.
Ich zuckte zusammen, sah auf und sah einen Berg von einem Mann vor mir. Ich nahm die Kopfhörer ab.
»Was willst du?«, hatte er mich gefragt.
Ich war aufgestanden und die Treppe zu ihm hinaufgegangen, um wenigstens ein bisschen auf Augenhöhe mit ihm zu sein. Trotzdem war er immer noch mindestens dreißig Zentimeter größer als ich, was mich aber nicht einschüchterte. »Nette Begrüßung! Ich wollte ein bisschen üben.«
»Üben?«, hatte er wiederholt und dann gelacht, als hätte ich einen tollen Witz gerissen.
Ich ignorierte ihn und ging durch die Tür in den Hauptsaal
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