Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
er.
Ich antwortete nicht, meine Gedanken schweiften ab.
»Deshalb wollte ich fragen, ob ich vorbeikommen kann«, fuhr er fort.
»Ja«, sagte ich.
»Hast du was gegessen?«
Ich wollte wahrheitsgemäß antworten, dass ich mich nicht mehr daran erinnern könne, aber das hätte sich so angehört, als könnte ich nicht auf mich aufpassen, und eine Moralpredigt hätte ich jetzt nicht ertragen. »Äh … noch nicht. Warum?«
»Ich könnte was mitbringen. Was hättest du denn gerne – Chinesisch, Indisch oder Fish and Chips ?«
»Oh, Pommes. Nur Pommes. Das wäre toll. Danke.«
»Ich bin in ungefähr einer halben Stunde da. Bitte geh nirgendwohin, okay?«
Sobald er aufgelegt hatte, wählte ich wieder Dylans Nummer.
Die von Ihnen gewählte Nummer ist vorübergehend nicht erreichbar. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.
Halbherzig machte ich noch ein wenig Ordnung, war vom Alkohol und der Müdigkeit wie betäubt. Mir tat alles weh. Es ärgerte mich, dass ich kein Bad hatte – ich hätte mich gerne in eine Badewanne gelegt. Stattdessen musste ich mich entscheiden, ob ich mich mit dem Schlauch abduschte oder in den Duschraum an Land ging.
Ich suchte ein paar saubere Klamotten heraus und lief zum Duschraum. Es wurde langsam dunkel, die Lichter auf der anderen Uferseite spiegelten sich im Wasser.
Der Parkplatz stand jetzt voller Autos. Joannas und Liams Ford Transit war wieder da und auch der Ford Fiesta von Maureen und Pat. Ich kannte alle Autos.
Ich duschte heiß und fühlte mich gleich besser. Meine Handgelenke wiesen dort, wo ich die ganze Nacht über gefesselt worden war, tiefe Einschnitte auf, und als ich mir die Haare wusch, spürte ich die dicke Beule seitlich an meinem Kopf, knapp über dem Ohr. Ich drückte vorsichtig dagegen, aber nur einmal, weil der Schmerz so stechend und heftig war. Zum Glück blutete nichts, und es war nichts gebrochen. Mit etwas Glück würde Carling gar nichts bemerken.
Ich wusste nicht, wie lange ich im Duschraum geblieben war, aber als ich ihn verließ, war es draußen bereits finster. Ich wartete, dass die Parkplatzbeleuchtung anging, doch sie blieb aus. Eigentlich müsste sie angehen, dachte ich, als ich in Trainingshose und Turnschuhen unter den Sensoren stand. Vielleicht war sie vergangene Nacht wieder beschädigt worden. Vielleicht schnitt jede Nacht jemand die Leitungen durch, und Cam reparierte sie am nächsten Morgen. Oder vielleicht reparierte er sie auch gar nicht mehr.
Ich ging über den wackeligen Ponton schwankend zu meinem Boot zurück.
Auf meinem Boot brannte Licht. Ich überlegte, ob ich es angelassen hatte, konnte mich aber nicht mehr daran erinnern. Mein Gehirn war wie in Watte gepackt.
Ich ging die Stufen zur Kabine hinunter und erschrak, als ich sah, wie Carling in der Küche am Spülbecken stand und den Kessel füllte.
»Meine Güte, ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!«, sagte ich.
»Du solltest abschließen, wenn du das Boot verlässt.«
»Ich war doch nur duschen.«
Er kam zu mir und umarmte mich. Es tat weh, fühlte sich aber gleichzeitig gut an. Dann küsste er mich. Der Kuss war seltsam und anders als beim ersten Mal.
Kurz musste ich an Dylan denken.
»Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
»Ich bin immer noch ein wenig betrunken«, sagte ich betreten. »Tut mir leid, aber es ging mir nicht gut, und ich dachte, ein Vollrausch könnte alles ausblenden.«
Auf dem Tisch in der Essecke stand eine große Papiertüte mit zwei Portionen Pommes. Ich holte Ketchup, Salz und Essig aus dem Küchenschrank.
»Ich habe noch mehr Alkohol mitgebracht«, sagte er. »Ich habe gedacht, du hast vielleicht keinen mehr.«
Zwei Flaschen Wein, ein Weiß- und ein Rotwein. Sie sahen verlockend aus. Ich grinste ihn mit meinem schönsten Säuferlächeln an.
»Mach sie auf! Ich habe total vergessen, wie das geht«, sagte ich und reichte ihm den Korkenzieher.
Wir setzten uns in die Essecke und aßen Pommes. Erst da fiel mir auf, wie hungrig ich eigentlich war. Ich aß die Pommes auf, jedes einzelne Stück, und kratzte sogar das Ketchup vom Papier. Er aß ein wenig langsamer und nippte elegant an seinem Wein, als säßen wir in einem Restaurant und nicht auf einem verschlissenen Samtkissen in einem halb renovierten holländischen Frachtkahn auf dem Medway.
»Und warum ging es dir nicht gut?«, fragte er.
Ich zuckte die Achseln. Ich war inzwischen ein wenig nüchterner, war aber immer noch verunsichert und den Tränen nahe. »Wahrscheinlich habe ich
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