Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
»Lass uns irgendwo hingehen, wo es wärmer ist. Hier drinnen ist es kühl.«
Sie überließen mir das Badezimmer, und ich kontrollierte schnell meine Handtasche, um zu sehen, ob mein Handy und mein Geldbeutel noch da waren. Ich traute ihnen nicht, also überraschte es mich auch nicht, als ich sah, dass der Reißverschluss meiner Tasche offen war. Wahr scheinlich hatten sie nachgeschaut, ob ich Koks dabeihatte.
Die Tür ging wieder auf, und ich hätte beinahe gesagt, sie sollten sich verpissen, doch diesmal war es Dylan.
»Hallo«, sagte ich und sah wieder in den Spiegel. »Gib dir bloß keine Mühe, vorher anzuklopfen oder sonst irgendwelche Höflichkeitsregeln zu beachten, okay?«
»Habe ich alles schon mal gesehen«, antwortete er. Er setzte sich auf den Stuhl und sah mich nachdenklich an.
»Was?«, fragte ich sein Spiegelbild.
»Fitz ist sauer«, sagte er.
»Oh«, sagte ich. »Das ist nicht gut.«
»Das Geschäft platzt.«
»Warum?«
»Einer von Arnolds Männern hat sich mit den Mädchen oben die Proben geteilt.«
»Das erklärt auch, warum zwei von ihnen gerade hier waren und sich die Nase gepudert haben.«
Dylan fuhr sich erschöpft mit der Hand über die Stirn. »Verdammt, die sind ein echtes Risiko.« Er stand auf und ging seufzend zur Tür.
»Dylan?«
»Was?«
»Kann ich irgendwas tun?«
Er lachte. »Du kannst ja mal versuchen, Fitz aufzuheitern. Du bist die Einzige, die ein Lächeln auf seine Lippen zaubern kann.«
»Was ist mit Caddy?«
»Sie ist oben und tobt.«
Ich wurde im Morgengrauen wach.
Kurz wusste ich nicht, wo ich war, nur dass ich nicht in meinem Bett lag; das Boot schaukelte beängstigend, gleich darauf hörte ich Schritte neben meinem Kopf. Beunruhigt setzte ich mich auf.
»Leg dich wieder hin«, flüsterte jemand eindringlich. »Ich bin’s.«
»Malcolm? Was ist?«
»Ich habe draußen ein Geräusch gehört«, flüsterte er und ging neben der Matratze in die Hocke. »Aber vermutlich ist es nur wieder ein Fuchs bei den Mülltonnen. Draußen ist niemand.«
»Oh.«
Ich legte mich wieder hin und zog mir die Decke über die Ohren.
Es war kalt geworden, das graue Licht der Morgendämmerung war hell genug, dass man die Umrisse der Küchenschränke und den nun kalten Holzofen sehen konnte. Es war vier oder fünf Uhr morgens, genau die Zeit, in der ich Caddys Leiche im Wasser entdeckt hatte.
Ich lächelte bei dem Gedanken an den Stolperdraht auf dem Ponton und hoffte nur, ihn nicht zu vergessen. Ich wollte nicht mit der Decke und allem anderen kopfüber im Schlamm landen, wenn ich wieder zur Revenge of the Tide ging.
Ich lauschte dem Zwitschern der Vögel, den Möwen und dem Verkehrsrauschen auf der M2 nach London und stand kurz davor, wieder einzuschlafen, als mir plötzlich etwas einfiel: Malcolm war vollständig angezogen gewesen.
25
Als ich wieder zurück in die Lounge eilte, merkte ich sofort, dass irgendwas nicht stimmte. Die Tür war offen, Arnold lümmelte mit zwei von seinen Leuten auf dem Sofa herum; Fitz war nirgendwo zu sehen, auch Dylan nicht, geschweige denn eines der Mädchen.
Von oben waren laute Stimmen zu hören, etwas Schweres fiel zu Boden.
Ich setzte mein bestes Viva-Lächeln auf, betrat den Raum und schloss diskret die Tür hinter mir. »Meine Herren«, sagte ich, »soll ich Ihnen etwas zu trinken holen?«
Kellnern gehörte nicht unbedingt zu meinen Aufgaben, aber das schien sie keineswegs zu stören, also brachte ich einem nach dem anderen hochprozentige Longdrinks oder Shots.
Danach setzte ich mich zu Arnold auf die Armlehne. Er legte seine Hand auf meinen Hintern und gab mir einen freundschaftlichen Klaps.
»Soll ich tanzen, während wir warten, oder wollt ihr euch so lange lieber weiterunterhalten?«, fragte ich.
»Ein Tanz wäre nicht schlecht, vor allem, weil ich den anderen verpasst habe. Ich habe viel Gutes über dich gehört, Viva«, sagte Arnold.
»Na, wenn das so ist!« Ich ging die Liste der Titel auf meinem Laptop durch. »Dann muss ich dafür sorgen, dass du etwas ganz Besonderes zu sehen bekommst.«
Ich weiß nicht, ob sie eine Strippernummer von mir er warteten, doch falls sie enttäuscht waren, dass ich mein knappes Kleidchen anbehielt, zeigten sie es nicht. Sie hätten auch hinaufgehen und etwas sehr viel Handfesteres haben können, doch das taten sie nicht. Stattdessen saßen sie da und sahen mir zu, schenkten mir ihre ganze Aufmerksamkeit, bis sich vier Songs und zwanzig Minuten später die Tür öffnete, und Fitz
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