Wenn Frauen kochen
behalten. »Sport ist gesund.«
»Ich war Profi«, sagte Hannah mit wachsender Zuversicht, dass diese Frau nicht wusste, wer sie war. Vor allem aber schien es für sie keine Rolle zu spielen.
»Wussten Sie, dass wir während unseres Lebens in der Regel fünf verschiedene Karrieren durchlaufen?«, erwiderte Priya. »Das habe ich aus einer Studie im Internet.«
»Wie viele hatten Sie schon?«
»Zwei«, antwortete Priya. »Ich war Ingenieurin, bevor ich die Kinder bekam.«
»Sind sie jetzt Vollzeit-Mom?«
»Ja. Das ist eine wichtige Arbeit, notwendig und von daher erfüllend.«
Sie sagte das so, als würde sie den Text irgendwo ablesen.
»Ja, Sie wirken auf mich auch … glücklich«, sagte Hannah etwas unbehaglich.
»Wie sind Sie in die Show gekommen?«, fragte Priya unvermittelt.
»Ich wohne in dem Haus neben Gus.«
»Wirklich?« Priya blieb stehen. »Ich stelle es mir wunderbar vor, Gus’ Nachbarin zu sein. Bestimmt gehen Sie auf ihre weltberühmten Partys?«
»Ich weiß nicht, ob sie welt berühmt sind, aber ich bin auf ein paar davon gewesen. Ich gehe nicht sehr viel aus, müssen Sie wissen.«
Weiter vorn zeigte Oliver Gus einen roten Vogel in einem Baum, und man konnte Gus’ Lachen bis zu ihnen nach hinten hören, über die gesamte Reihe der Zwangswanderer hinweg, Carmen und Aimee, Sabrina und Porter, Troy und Gary. Genau das brauchte sie, ein bisschen von Gus’ Lebensfreude, die sie in einer Flasche abfüllen, nach Jersey mitnehmen und etwas davon versprühen konnte, wenn sie niedergeschlagen war. Sie hatte nie damit gerechnet, dass es so viel härter wäre,
den ganzen Tag zu Hause zu sein, als in einem Büro zu arbeiten. Es gab keine Beförderungen, keine Lohnerhöhnung, keinen Urlaub. Nur einen Gruppe von Leuten, die andauernd etwas von ihr wollten, wollten und wollten. Niemand hatte Priya je gefragt, ob sie die Seele des Hauses sein wollte. Es war schlichtweg ihre Pflicht als Frau. Ihre eigene Mutter hatte ihr das so gesagt.
Gus wusste sicher, wie man ein glückliches Zuhause schuf: Man musste sie ja nur auf dem Bildschirm sehen, um das zu erkennen. Priya war überrascht gewesen, wie gern sie Gus’ Sendung sah, denn bis dahin hatte sie angestrengt sämtliche Kanäle gemieden, auf denen forsche Gastgeberinnen Muffins backten und Partys planten. Aber Gus war das einzig Wahre.
Im Grund war es Rajs Schuld. Er hatte den Fernseher angelassen, weil er dachte, es würde helfen. Das war an dem Tag gewesen, nachdem er sie auf dem Boden ihres begehbaren Kleiderschranks gefunden hatte. Sie lag dort und weinte sich die Augen aus dem Kopf. Ich weiß nicht, was los ist, hatte sie zu ihm gesagt. Er hatte sich neben sie auf den Boden gesetzt und ihre Hand gehalten. »Keine Sorge«, hatte er gesagt, »dieses Unwohlsein wird vorübergehen. Wir müssen uns einfach immerzu schöne Gedanken machen, dann verschwinden die schlechten wie von allein.«
»Wir müssen ein bisschen Geduld haben«, hörte sie Raj später am Telefon zu ihrer Mutter sagen. »Lass uns einfach abwarten.«
Aber das Unwohlsein verschwand nicht. Es verhärtete sich zu einem unsichtbaren Klumpen, den nur Priya spürte und der all die Freude aufzehrte, die sie einmal empfunden hatte. Warum freute sie sich nicht über all das, was sie hatte? Andere Frauen konnten das doch auch. Die würden auf ihr großes schönes Zuhause und ihre gesunden Kinder blicken und ihr
sagen, sie solle sich zusammenreißen. Das hatte sie selbst schon eine Millionen Mal zu ihrem Spiegelbild gesagt. Aber diese Unstimmigkeit zwischen der Wahrheit in ihrem Herzen und dem, was ihre Vernunft ihr sagte, ließ sie erschöpft und niedergeschlagen zurück.
»Sie haben großes Glück«, sagte sie seufzend. »Eine Freundin wie Gus zu finden.«
»Wenn wir rennen, können wir zu ihr aufschließen«, schlug Hannah vor. Es ging ihr hauptsächlich darum, diese letzte Möglichkeit zu nutzen, sich noch etwas an der frischen Luft auszutoben. Sie war hin und her gerissen. Ein Teil von ihr sehnte sich nach der vertrauten Routine im Kutscherhaus, aber ein anderer wurde wütend, dass sie so viel Zeit damit verplempert hatte, sich dort zu verstecken. »Kommen Sie, bewegen wir uns ein bisschen«, sagte sie und rannte auf der Stelle los.
»Gern«, antwortete Priya und war froh, am Ende doch bequeme Turnschuhe angezogen zu haben. Heute Morgen beim Anziehen war sie ziemlich nervös gewesen. Raj hatte auch noch auf sie eingeredet, während sie das blaue Kostüm wieder auszog und kurz
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