Wenn Frauen nicht mehr lieben
Aktivitätsspektrum einer Frau, sondern ist beinahe schon ein Grund weiblicher Beschämung geworden.
Doris ist eine der vielen Frauen, die mit ihren Gefühlen vordergründig gut zurechtkommen. Nach außen sieht alles nach perfektem emanzipatorischem Frauenglück aus.
Neue Beziehungen, neue Freiheiten, keine Abhängigkeit vom Ehemann, genug Geld für Freizeit und Ferien, keine Einschränkungen mehr. Sieht man aber genauer hin, so 69
läßt sich feststellen, daß Doris ihre Gefühle nicht ernst nimmt. Sie hat Sehnsucht nach ihrem Mann. Sie unternimmt jedoch nichts. Schließlich hat sie sich fest vorgenommen, sich selbst treu zu bleiben und keine Kompromisse mehr einzugehen. So ist Doris ein Opfer selbstgeschaffener Zwänge geworden. Aus lauter
»Emanzipationswunschdenken« heraus setzt sich Doris Grenzen, die einen Großteil ihrer Gefühle außer acht lassen. Der Satz »Nie werde ich meinem Mann …« zeigt den apodiktischen Charakter des Vorhabens und weist auf eine neue Form von Geboten hin, die sich moderne Frauen heute auferlegen in der vermeintlichen Überzeugung, sie blieben sich dadurch als Frau treu, und vor allem in der Meinung, sie müßten sich abgrenzen und vom Mann befreien, um emanzipiert zu sein, koste es, was es wolle.
Derlei aus neuen öffentlichen Meinungen – sprich der Frauenbewegung – erwachsene Zwänge gibt es heute viele. Es wurde ein Frauenbild geschaffen, das leitbildartig für die große Masse der Frauen gelten soll. Diese Frauenleitbilder wollen richtungweisend sein und Frau helfen, durch den Dschungel der Überreste patriarchaler Strukturen hindurch einen Weg zu ebnen. Sie tun es indes nicht. In diesem neuen Frauenbild sind neue Werte enthalten, neue Einteilungen von Gut und Böse. Man kann sogar sagen, daß ein neuer Frauenehren- und Moralkodex feministischer Natur – verbreitet über die öffentliche Meinung und deshalb sehr beständig – entstanden ist.
Neben ein paar wenigen echten emanzipatorischen gibt es darin leider vorwiegend nur frauenfeindliche Anteile. Was aber will die Frau wirklich? Weiß sie selbst, wonach sie strebt? Ist es ihr in der Multiverwirklichungs- und Erlebnisgesellschaft wirklich wohl? Liegt ihr in der Tat so viel daran, ein Leben wie der Mann zu führen, auf der Karriereleiter immer weiter nach oben zu gelangen, in alle 70
männlichen Domänen vorzudringen und es ihm
gleichzutun? Entsprechen die Bedingungen einer männlich orientierten Welt der Frau überhaupt? Und was bringt ein Rollentausch mit dem Mann für die Frau mit sich? Die Affirmation der Gleichheit in der Rechtsprechung, in der sozialen und Arbeitswelt war nützlich, weil die Frau in Sektoren vorgedrungen ist, wo sie vorher abwesend war, und so ihren positiven femininen Einfluß geltend machen konnte. Aber den Kampf der Geschlechter über ein Postulat von absoluter Gleichheit austragen zu wollen, hieße nur, die Unterschiede zwischen Mann und Frau zu leugnen und einen erneuten Geschlechterkampf zu provozieren, in dem diese Unterschiede wiederum ausufern. Ein solcher Kampf ist bereits im Gang, wenn auch noch stumm und schwelend. Und es hieße auch, der Frau ein Gleichheitsdiktat aufzuzwingen, das ihrer Natur in keiner Weise entspricht.
Generelle Unterschiede zwischen Mann und Frau über einen mentalen »Tour de force« leugnen zu wollen und demzufolge in einer vorwiegend männlich orientierten Gesellschaftsordnung eine Maskulinisierung der Frauen anzustreben, kann nur dazu führen, die Malaise in unserer Zivilisation noch mehr zu verstärken. Leider ist die moderne Frau seit einiger Zeit dabei, sich in der erstrebten Vermaskulinisierung stetig »weiterzuentwickeln«, und der Mann ist dabei, seine Männlichkeit immer mehr zu verlieren. So entfremden sich beide Geschlechter von ihrer eigenen Identität wie voneinander.
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10. Die vermännlichte Frau
Selbstverständlich kann die Frau heute alles, was ein Mann kann, erst recht. Andernfalls wird sie sich schleunigst bemühen, aufzutreten und zu argumentieren wie ein Mann. Sie wird Nachhilfestunden nehmen, um ihren Männlichkeitsnachholbedarf aufzustocken. Sie liest Bücher über Frau und Macht, über männliche Durchsetzungskraft und aggressive Selbstbehauptung. Frau orientiert sich heute am Mann, nicht an der Frau.
Unterschiede werden ausradiert. Je egalitärer, desto besser. Und da Männer angeblich mehr Chancen haben, sich im Leben in ihrem »Selbst« zu »verwirklichen« – was übersetzt oft nur mehr Geldverdienen heißt –, muß
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