Wenn Frauen zu sehr lieben
aber anlässlich ihres ersten Streits einige Tage später betrank er sich und blieb die ganze Nacht über weg.
Nach diesem Vorfall erkannte Brenda mit Hilfe der Therapie das Muster, dem sie beide verhaftet waren. Raymond benutzte die von ihm absichtlich mitverursachten Spannungen in der Beziehung, um sein suchtartiges Verlangen nach Alkohol, Drogen und Frauen zu verschleiern und zu rechtfertigen. Gleichzeitig benutzte Brenda diese Spannungen als Entschuldigung dafür, dass sie sich der Bulimie und anderen Formen von Zwangsverhalten hingab. Jeder benutzte den anderen, um sich nicht mit der eigenen Person und der eigenen Abhängigkeit auseinandersetzen zu müssen. Erst als Brenda dieses Muster erkannt hatte, war sie fähig, die Hoffnung aufzugeben, doch noch eine glückliche Ehe mit Raymond zu führen.
Drei verschiedene Elemente waren für Brendas Heilung wichtig und notwendig: Sie ging weiterhin zur Therapie, sie schloss sich einer Al-Anon-Gruppe an, um mit ihrem lebenslangen Co-Alkoholismus zurechtzukommen, und schließlich stürzte sie sich mit der Erleichterung, die eine solche Kapitulation vor den eigenen Problemen begleitet, in das
Overeaters Anonymous
-Programm. Die Mitarbeit bei
Overeaters Anonymous
war der wichtigste Faktor in ihrem Genesungsprozess, und genau dagegen hatte sie sich anfangs am hartnäckigsten gewehrt. Ihr zwanghaftes Essen, Erbrechen, Hungern war der Schlüssel zu ihrem eigentlichen Problem, der ursprünglichen Krankheit. Ihre ausschließliche Fixierung auf Nahrung verschlang all die Energie, die sie gebraucht hätte, um zu sich selbst und den ihr nahe stehenden Menschen eine positive Beziehung zu entwickeln. Solange sie sich vollständig auf Gewicht, Nahrungsaufnahme, Kalorien, Diäten und Ähnliches konzentrierte, konnte sie weder echte Gefühle für etwas anderes oder jemand anderen aufbringen, noch konnte sie ehrlich sich selbst und anderen gegenüber sein.
All die Jahre, in denen sie ihre Gefühle mit zwanghaftem Essverhalten betäubt hatte, war es ihr nicht möglich gewesen, für sich selbst zu sorgen, kluge Entscheidungen in Bezug auf sich selbst zu treffen oder wirklich ihr eigenes Leben zu leben. Essen ersetzte ihr das Leben, und damit war Brenda in vielerlei Hinsicht gedient. So verzweifelt sie auch um die Kontrolle über ihr Essverhalten gekämpft hatte, dieser Kampf war weniger bedrohlich gewesen als der, den sie nun mit sich selbst, ihrer Familie und ihrem Ehemann ausfechten musste. Sie hatte sich tagtäglich Grenzen gesetzt, was das Essen betraf, aber nie in Bezug auf andere Menschen – was die ihr sagten oder antaten, nahm Brenda hin. Um gesund zu werden, musste
sie
den Punkt festlegen, wo der Einfluss anderer aufhörte und sie als autonomer Mensch begann. Sie musste sich zugestehen, auf andere wütend zu werden, nicht nur auf sich selbst; denn bisher hatte sie all ihre Wut immer gegen die eigene Person gerichtet.
Bei den
Overeaters Anonymous
-Meetings entdeckte Brenda, dass sie zum ersten Mal seit vielen Jahren ehrlich sein konnte. Es erschien ihr einfach unsinnig, Leute zu belügen, die ihr Verhalten ja verstanden und akzeptierten, wer sie war und was sie tat. Gewissermaßen als Belohnung für ihre Ehrlichkeit konnte sie die heilende Kraft erleben, die aus dem Verständnis und der Akzeptanz durch Gleichwertige erwächst. Daraus schöpfte sie den Mut, Ehrlichkeit nicht nur in der Gruppe, sondern auch in der Außenwelt an den Tag zu legen: ihrer Familie, ihren Freunden und möglichen Partnern gegenüber.
Al-Anon half ihr zu erkennen, dass die Wurzeln ihrer gegenwärtigen Probleme in ihrer Kindheit lagen, dass ihre Eltern seelisch gestört waren und welche Auswirkungen das aus dieser Störung erwachsende zwanghafte Verhalten auf Brenda als Kind gehabt hatte. Sie lernte, anders mit ihren Eltern umzugehen.
Raymond ging seine zweite Ehe ein, sobald die Scheidung rechtskräftig war, aber noch in der Nacht vor der Trauung rief er bei Brenda an und beteuerte ihr, eigentlich wolle er doch nur sie. Dieses Gespräch machte Brenda endgültig klar, dass Raymond nicht fähig war, sich zu einer Verbindung oder Verantwortung zu bekennen, sondern immer wieder versuchte, sich seiner jeweiligen Partnerin zu entziehen. Er war, genau wie ihr Vater, ein Wanderer, der obendrein ganz gern eine Frau und ein Heim hatte.
Brenda lernte bald darauf, dass es für sie notwendig war, beträchtliche Distanz zu ihrer Familie zu halten – sowohl geographisch als auch emotional. Nach zwei Besuchen bei
Weitere Kostenlose Bücher