Wenn Frauen zu sehr lieben
Bericht geht es um Verleugnung und Kontrolle. Pam begann schon als Kind, ein Stück Realität zu leugnen: die Wut und Feindseligkeit nämlich, die ihr die eigene Mutter entgegengebracht hatte. Sie konnte das Gefühl nicht zulassen, ein ungewolltes, ungeliebtes Kind zu sein. Sie konnte überhaupt keine Gefühle zulassen, weil diese zu schmerzhaft gewesen wären. Die Unfähigkeit, eigene Empfindungen wahrzunehmen und auszuhalten, bereitete sie auf die Beziehungen zu den Männern vor, die sie sich später als Partner wählte. Deutliche Signale, die andere Frauen schon bei der Kontaktaufnahme vor solchen Männern gewarnt hätten, wurden von ihr ignoriert (geleugnet). Weil sie nicht spüren konnte, was eine Beziehung emotional für sie bedeuten würde, konnte sie lediglich wahrnehmen, dass jemand ihr Verständnis und ihre Hilfe brauchte.
Pams Rolle in Beziehungen bestand darin, ihrem Partner Verständnis entgegenzubringen, ihm Mut zuzusprechen und positiven Einfluss auf ihn auszuüben. Dieses Muster ist typisch für Frauen, die zu sehr lieben. Das erwünschte Resultat tritt allerdings meist nicht ein. Im Gegenteil: Statt dem dankbaren, loyalen Partner, der durch Hingabe und Abhängigkeit an sie gebunden ist, sieht sich eine solche Frau bald einem Mann gegenüber, der sich immer stärker gegen sie auflehnt, sich immer häufiger über sie ärgert und immer mehr an ihr auszusetzen hat. Aus dem eigenen Bedürfnis heraus, seine Autonomie und Selbstachtung zu erhalten, kann er sie nicht länger als die Lösung all seiner Probleme ansehen. Stattdessen wird sie in seinen Augen zur Ursache vieler, wenn nicht gar aller Schwierigkeiten, mit denen er zu kämpfen hat.
Zerfällt die Beziehung daraufhin, wird die Frau in tiefe Verzweiflung gestürzt. Sie erlebt sich als totale Versagerin. Wenn sie noch nicht einmal einen so bedürftigen, so unzulänglichen Mann dazu bringen konnte, sie zu lieben, wie sollte sie dann je hoffen können, von einem stabileren, angemesseneren Partner geliebt zu werden, womöglich sogar auf Dauer? Diese negative Selbsteinschätzung veranlasst solche Frauen, sich von einer schädlichen Beziehung in die nächste, vielleicht noch katastrophalere zu begeben. Mit jedem Misserfolg fühlen sie sich zunehmend wertlos.
An dieser Stelle wird deutlich, wie schwierig es für eine Frau wie Pam ist, dieses Muster zu überwinden, sofern sie nicht zu verstehen lernt, welches grundlegende Bedürfnis sie treibt. Wie viele Frauen in helfenden Berufen benutzte auch Pam ihre Karriere dazu, ihr schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl zu stärken. Nur auf Hilfsbedürftigkeit – ob bei ihren Klienten, Kindern, Ehemännern oder anderen Partnern – vermochte sie zu reagieren. In jedem ihrer Lebensbereiche versuchte sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, das tiefsitzende Gefühl von Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit nicht hochkommen zu lassen. Ihre Selbstachtung wuchs erst, als Pam in ihrer Gruppe erlebte, welch große Heilwirkung im Verständnis und in der Anerkennung liegt, wenn es einem von Gleichrangigen entgegengebracht wird. Sie lernte, mit anderen Menschen umzugehen, ohne sie kontrollieren zu müssen, und sie lernte, mit einem Mann zusammen zu sein, der nicht auf ihre Hilfe angewiesen war.
Celeste : 45 Jahre alt; Mutter von zwei Kindern, die mit ihrem Vater außerhalb der USA leben
Ich bin in meinem Leben mit mindestens hundert Männern zusammen gewesen, und wenn ich jetzt so darüber nachdenke, könnte ich wetten, dass jeder von ihnen entweder viel jünger als ich oder ein Betrüger oder drogenabhängig oder Alkoholiker oder homosexuell oder geistesgestört war. Hundert unmögliche Männer! Wo habe ich die nur alle aufgetrieben?
Mein Vater war Kaplan bei der Marine. Seinem hohen Amt entsprechend erweckte er nach außen hin den Eindruck eines gütigen, liebevollen Mannes. Zu Hause gab er sich allerdings keine Mühe, den Schein zu wahren – er war gemein, herrisch, streng und egoistisch. Sowohl er als auch meine Mutter glaubten, wir Kinder seien nur dazu da, ihm zu helfen, seine berufliche Fassade aufrechtzuerhalten. Sie erwarteten von uns, dass wir ihm alle Ehre machten, indem wir die besten Zeugnisse hatten, uns in Gesellschaft gut zu benehmen wussten und niemals in Schwierigkeiten gerieten. Bei dem Klima, das bei uns zu Hause herrschte, war dies allerdings unmöglich. Wenn mein Vater daheim war, hätte man die Spannung mit den Händen greifen können. Meine Mutter und mein Vater standen sich
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