Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
Vom Netzwerk:
nicht nahe. Sie war immer wütend, neigte aber nicht zu Ausbrüchen; es war eher so ein ständiges Brodeln. Jedes Mal, wenn mein Vater etwas tat, worum sie ihn gebeten hatte, machte er es absichtlich falsch. Einmal war unser Esszimmertisch kaputt, und er reparierte ihn mit einem riesengroßen Nagel, der das gute Stück natürlich ruinierte. Wir alle lernten, ihn in Ruhe zu lassen.
    Nach seiner Pensionierung war er Tag und Nacht zu Hause, saß in seinem Sessel und machte ein finsteres Gesicht. Er sagte nicht viel, aber schon allein seine Anwesenheit machte uns das Leben schwer. Ich hasste ihn zutiefst. Damals konnte ich natürlich nicht sehen, dass er selbst Probleme hatte und dass auch unsere Reaktionen auf ihn nicht unproblematisch waren: Schließlich ließen wir es zu, dass er uns durch seine bloße Anwesenheit kontrollierte. Es war ein ständiger Wettkampf: Wer kann wen kontrollieren? Und er gewann jedes Mal, allein durch sein passives Verhalten.
    Jedenfalls war aus mir schon lange der Rebell in der Familie geworden. Ich verspürte ständig Wut, genau wie meine Mutter, und meine Wut konnte ich nur zum Ausdruck bringen, indem ich alle Wertvorstellungen meiner Eltern ablehnte, mein Zuhause verließ und versuchte, das Gegenteil von allem und jedem in der Familie zu werden. Ich glaube, was mich am meisten in Wut geraten ließ, war die Tatsache, dass wir nach außen hin so normal wirkten. Ich hätte es am liebsten von den Dächern gebrüllt, wie furchtbar meine Familie war, aber das schien sonst niemandem aufzufallen. Meine Mutter und meine Schwestern waren gewillt, mich zum Problemkind zu machen. Ich tat ihnen den Gefallen, indem ich diese Rolle voll ausspielte.
    An der High School gab ich eine Underground-Zeitung heraus, die viel Wirbel machte. Dann ging ich fort, aufs College, und sobald sich die Gelegenheit ergab, verließ ich das Land. Ich wollte so weit weg wie möglich. Nach außen wirkte ich sehr rebellisch, aber innerlich war ich eigentlich nur verwirrt.
    Meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich, als ich im Entwicklungsdienst arbeitete, aber nicht mit einem Kollegen, sondern mit einem jungen afrikanischen Studenten. Er war sehr begierig, etwas über die USA zu erfahren, und ich kam mir vor wie seine Lehrerin – stärker, klüger, weltgewandter. Ich eine Weiße, er ein Schwarzer: diese Tatsache wirbelte viel Staub auf. Das störte mich nicht; es bestärkte nur mein Selbstbild: Ich war eben eine richtige Rebellin.
    Ein paar Jahre später – damals ging ich noch aufs College – lernte ich einen Spanier kennen und heiratete ihn. Er war ein richtiger Intellektueller und stammte aus einer wohlhabenden Familie. Davor hatte ich Respekt. Außerdem war er 27  Jahre alt und noch immer «unschuldig». Wieder war ich die Lehrerin, konnte mich stark und unabhängig fühlen und die Kontrolle übernehmen.
    Wir waren sieben Jahre lang verheiratet und lebten die ganze Zeit über im Ausland. Ich wurde sehr ruhelos und fühlte mich unglücklich, wusste aber nicht warum. Dann lernte ich einen jungen verwaisten Studenten kennen und begann eine stürmische Affäre mit ihm, in deren Verlauf ich meinen Mann und die Kinder verließ. Vor unserer Bekanntschaft hatte dieser Junge nur mit Männern sexuelle Kontakte gehabt. Wir lebten zwei Jahre lang zusammen in meiner Wohnung. Auch während dieser Zeit hatte er Liebhaber, aber das störte mich nicht. Sexuell probierten wir alles aus, was uns einfiel, brachen alle Regeln. Für mich war es ein aufregendes Abenteuer, aber nach einer gewissen Zeit wurde ich wieder ruhelos und schob ihn allmählich ab, nicht als Freund – wir sind heute noch befreundet –, sondern als Liebhaber. Daran schlossen sich die verschiedensten Beziehungen an. Unter meinen Liebhabern fanden sich auch ziemlich heruntergekommene Typen. Sie alle zogen bei mir ein. Die meisten liehen sich auch noch Geld von mir, in einigen Fällen Tausende von Dollars, und ein paar Männer verwickelten mich in ziemlich illegale Geschäfte.
    Trotz dieser ganzen Erlebnisse wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich Probleme hatte. Solange jeder dieser Männer etwas von mir bekam, fühlte ich mich als die Starke, als diejenige, die für alles die Verantwortung übernahm.
    Dann kehrte ich in die USA zurück und ließ mich mit einem Mann ein, der wahrscheinlich der schlimmste von allen war. Seine Alkoholabhängigkeit hatte bei ihm schon zu Hirnschädigungen geführt. Er war leicht erregbar und neigte zu Gewalttätigkeiten. Er

Weitere Kostenlose Bücher