Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
hören auf zu existieren. Die Wahrheit ist nicht relativ.«
»Ich glaube einfach, wir können nicht mit Sicherheit wissen, was wahr ist. Wir können nur unser Leben bestmöglich führen. Wenn irgendwelche Lehren uns dabei helfen, gut zu leben, ist das schön«, betonte Doreen.
Wieder einmal befand ich mich in Aufruhr. Viele Jahre lang hatte ich den Gedanken unterdrückt, dass Er, der Yahweh, das bedeutet »ICH BIN«, genannt wurde, tatsächlich gar nicht existierte. Ich schrieb in mein Tagebuch:
»Wenn es keinen Gott gibt, bin ich allein; es gibt keine Kraft, die meinen Mangel an Kraft beseitigt; es gibt keinen
Grund, das nicht Liebenswerte zu lieben oder das Unverzeihliche zu verzeihen, kein Heilmittel gegen das Gift von Hass und Bitterkeit, keine Hoffnung für jene, deren Leben in Schmerz beginnt und endet. Wenn es keine Wahrheit gibt, beten wir die Leere an. Ich bin verloren, wenn es Dich nicht gibt.«
Im September 1999 fühlte man sich in Australien wie im Krieg. Jagdbomber vom Typ F-111 düsten schrill über den Himmel, und Hercules-Transportflugzeuge rumpelten über einen hinweg. Osttimor hatte am 30. August 1999 für seine staatliche Unabhängigkeit von Indonesien gestimmt, das 1975 ins Land einmarschiert war und es besetzt hatte, nachdem die Kolonialherren, die Portugiesen, sich zurückgezogen hatten. Als das Ergebnis der geheimen Abstimmung verkündet wurde, brach im Land ein Taumel aus Zerstörung und Gewalt los. Die Jakarta-freundlichen Milizen im Land, die von der indonesischen Armee unterstützt wurden, begannen zu randalieren und benutzten Kerosin-Tankwagen, um Schulen, Krankenhäuser und selbst Kirchen abzufackeln, in denen sich Schutzsuchende drängten. Ich hörte Radioberichte über Massenhinrichtungen. Dili, die Hauptstadt, stand in Flammen, und überall auf den Straßen lagen Leichen.
Die Timorer hatten vierhundert Jahre lang die Kolonialherrschaft der Portugiesen, 1975 einen Bürgerkrieg und daran anschließend fünfundzwanzig Jahre indonesische Herrschaft erduldet. Mit dem Gewaltausbruch, der dem Referendum gefolgt war, waren Tausende gezwungen, nach Westtimor zu flüchten. Familien wurden auseinandergerissen.
Einige blieben in Dili, während andere in der Hoffnung, wenigstens ein Teil möge überleben, über die Grenze fohen.
Katherine ist ein Luftwaffenstützpunkt, und deshalb war die Angst hier groß. Würde es zu einem Krieg mit Indonesien kommen, wenn unsere Truppen im Rahmen internationaler Hilfe dort landeten? Wie sich herausstellte, gab es wenig Widerstand. Die Indonesier zogen sich hinter die Grenze von Westtimor zurück, und das australische Kommando unternahm keinen Versuch, die indonesischen Truppen zu umzingeln oder ihnen den Rückzug in ihr Heimatgebiet abzuschneiden. Hunderte von Flüchtlingen waren mit dem Flugzeug zu Lagern in Darwin gebracht worden. Die Menschen in Katherine sammelten Lebensmittel und schickten sie nach Osttimor und zu den Timorern in den Flüchtlingslagern von Darwin.
Anfang 2000 erhielt ich eine E-Mail von einem praktischen Arzt aus Darwin, der um freiwillige Ärzte warb, die bereit waren, in Osttimor zu arbeiten. Seine Frau Robyn war Verwaltungsbeamtin bei einer portugiesischen Nichtregierungsorganisation mit dem Namen OIKOS, die in Dili ihren Sitz hatte. Da ich in Wurli-Wurlijang noch unter Vertrag stand, sagte ich ihm erst für Juni zu. Als der Zeitpunkt näher rückte, zog ich aus meinem Haus aus und wohnte bei einer Freundin, bei der ich auch einige meiner Sachen lagern konnte.
Im Mai kam Bruder Andrew nach Katherine, um die Schwestern zu besuchen, und er sah bei diesem seinem letzten Besuch, während dem er in der Kirche einen Vortrag hielt und mit den Aborigines scherzte, noch ausgemergelter
aus. Seine Einstellung hatte sich nicht geändert. Er misstraute den Mächtigen und denjenigen, die sich für gerecht hielten. Weil er sich den Sündigen und Schwachen verschrieben hatte, lebte er mit ihnen am Rande der Gesellschaft. Er war erst vor Kurzem aus Indien zurückgekehrt, wo er eine Messe am Grab von Mutter Teresa zum zweiten Todestag im Mutterhaus zelebriert hatte. Seine zwei Monate in Kalkutta, wo er sich mit Ruhr, dem feuchten Klima und der Enge herumschlagen musste, hatten an seinen Kräften gezehrt.
»Ich habe einen bohrenden Schmerz in meiner Magengrube«, sagte er. »Der will nicht weggehen.« Er brach am folgenden Tag auf, sodass ich keine ärztliche Untersuchung für ihn in die Wege leiten konnte, aber er versprach mir,
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