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Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures

Titel: Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colette Livermore
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lassen. Als ich eine Kurve nahm, rutschte diese über das Armaturenbrett und ergoss sich über meinen Schoß. Erschrocken verlor ich die Gewalt über das Steuer und kam von der Straße ab, ohne den Wagen zu beschädigen. Doch Schwester Dolores erlaubte mir noch Monate nach diesem Unfall nicht, mich ans Steuer zu setzen.
    Endlich kam aus Kalkutta die Nachricht, ich solle in Papua-Neuguinea als Teil der Gemeinschaft von Tokarara bleiben, einem neuen Vorort von Port Moresby, wo gleichförmige Massenquartiere über das mit Gummibäumen durchsetzte Grasland verstreut hochgezogen worden
waren. Wir wohnten in einem Pfahlbau, die Wohnbereiche waren oben, darunter der Abstellplatz für die Autos. Dort unterrichtete ich etwa sechzig Vorschulkinder von vier bis neun Jahren und bereitete sie auf die eigentliche Schulerziehung vor. Anfangs war mein Klassenzimmer der Autoabstellplatz des Gemeindepriesters, später zog ich dann in einen Betonbau unter unserem Haus um. Nachmittags fuhren wir in den nahe gelegenen Vorort Gerehu, wo ich ähnlich viele Kinder unterrichtete. Die Besitzer des Hauses waren tagsüber arbeiten, sodass wir ihren Carport benutzen konnten. Meine Arbeit erschwerte dies erheblich, denn die Kinder hockten dicht gedrängt auf dem Boden, und ich hatte wenig Hilfsmittel, sie zu unterrichten oder zu beschäftigen. Während dieser Zeit machten zwei andere Schwestern Hausbesuche und ermutigten die Eltern, die aus den Provinzen in die Stadt gekommen waren, ihre Kinder zu unserem Unterricht zu bringen, damit sie Englisch lernten.
    Ich gab mir alle Mühe, rudimentäres Englisch zu vermitteln, Zahlen und das Alphabet, und wir unterhielten die Häuser in der Umgebung mit rührenden Rezitationen von Kookaburra Sits on the Old Gum Tree und der papuanischen Nationalhymne. Einige Eltern brachten ihren Kindern »Sprachlieder« in ihrem eigenen Dialekt bei. Noch Häuserblocks weit entfernt hörte man uns, und Nachbarn erzählten, ihre Zweijährigen griffen die Lieder »aus der Luft« auf. Ich sammelte Flaschendeckel und Stöcke, um eine Vorschulband zu initiieren, und war auf der Suche nach einer kundu. Die bunte Kreide durfte ich nicht aus den Augen lassen, weil die Kinder diese gern für Verzierungen
von Gesicht und Körper verwendeten. Gelegentlich erlaubte ich ihnen, sie nach Herzenslust einzusetzen, dann hatten wir ein Vorschulsingen mit Trommeln, Tanz, bunter Kreide als Körperfarbe und Luftschlangen anstelle von Federkopfschmuck.
    Am Ende des Jahres halfen wir den Eltern dabei, die Formulare für die Grundschule auszufüllen, und begleiteten sie und ihre Kinder zur Schule. Dies war der wichtigste Teil unserer Arbeit: den Eltern und den Kindern so viel Vertrauen zu vermitteln, dass sie offizielle Gebäude betraten, um ins Erziehungssystem eingebunden zu werden und nicht als ungelernte Analphabeten zu enden. Ich war froh, ihnen dabei helfen zu können, ihre Ängste und Barrieren zu überwinden. Obwohl diese papuanischen Dorfbewohner ihre Angst vor Flugzeugen überwunden hatten, waren sie mit alten Bräuchen und ohne moderne Fähigkeiten aus abgelegenen Gegenden nach Moresby gekommen. Sie hatten genug verdient, um sich den Flugpreis leisten zu können, indem sie eine gute Betelnussernte oder ein paar geschnitzte Kunstwerke verkauft hatten, aber wenn sie dann in Moresby angekommen waren, saßen sie in der Falle, denn sie hatten weder Land noch Arbeit und auch keine Rücklagen, um sich die Rückreise nach Hause leisten zu können. Am Ende wohnten sie zusammen mit wantoks, Menschen derselben Sprachgruppe, in überfüllten Häusern.
    Junge Männer ohne Anstellung, die von ihren traditionellen Gegenden und Familien getrennt waren, fühlten sich minderwertig, weil sie in der Stadt keinen Status hatten. Sie wünschten sich westliche Waren, doch es fehlten
ihnen die Fertigkeiten, diese zu bekommen, also schlossen sich einige den »Halbstarken« oder kriminellen Banden an, die sich nach Stammesgruppen aufteilten und unter denen es zu Spannungen kam. Einmal erstach ein Chimbu-Mann drei Kerema-Männer. Die Keremas fühlten sich verpflichtet, das Verbrechen zu sühnen, und erstachen wiederum drei Chimbus. Deren Verwandte unternahmen daraufhin Racheangriffe, und so drehte sich das Rad der Gewalt.
    In Moresby kam es oft vor, dass ein Mann, der mit seiner Ehefrau ein paar Kinder hatte, beschloss, den »Brautpreis«, den er der Familie der Frau schuldete, um die Vereinigung zum Abschluss zu bringen, nicht zu bezahlen. In ihrem traditionellen

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