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Wenn Ich Bleibe

Titel: Wenn Ich Bleibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Forman
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wäre so draufgängerisch wie sie. Schließlich zog ich einen langen schwarzen Rock an und einen nougatbraunen kurzärmeligen Pullover. Einfach und unauffällig. Mein Markenzeichen, vermute ich.
    Als Adam in einem Anzug aus Haifischhaut und Schuhen mit Kreppsohlen auftauchte (ein Auftritt, der meinen Vater zutiefst beeindruckte), wurde mir klar, dass es wirklich ein Date war. Natürlich würde sich Adam für einen Besuch in der Symphonie in Schale werfen, und ein Anzug aus Haifischhaut aus den 1960ern entsprach genau seiner Auffassung von cooler, formeller Kleidung, aber ich merkte, dass noch mehr an der Sache dran war. Er kam mir nervös vor, als er meinem Vater die Hand schüttelte und ihm sagte, dass er alle CDs seiner alten Band hatte. »Ich hoffe, du benutzt sie als Untersetzer«, sagte mein Vater. Adam schaute ihn überrascht an; Eltern, die sarkastischer sind als ihre Kinder, war er nicht gewohnt.
    »Passt auf, dass ihr nicht über die Stränge schlagt, Kinder. Beim letzten Yo-Yo-Ma-Konzert gab es im Orchestergraben Verletzte«, rief uns meine Mutter hinterher, als wir zum Auto gingen.
    »Deine Eltern sind klasse«, sagte Adam und hielt mir die Autotür auf.
    »Ich weiß«, erwiderte ich.
     
    Wir fuhren nach Portland und unterhielten uns über dies und das. Adam spielte mir Stücke von Bands vor,
die er mochte, unter anderem ein schwedisches Pop-Trio, das mir langweilig und monoton vorkam, und dann eine isländische Independent-Band, deren Musik wunderschön war. Wir verfuhren uns in der Innenstadt und kamen gerade noch rechtzeitig in den Konzertsaal.
    Unsere Plätze waren im obersten Rang, ganz hinten. Aber man geht ja nicht wegen des Ausblicks zu einem Yo-Yo-Ma-Konzert. Die Akustik war fantastisch. Dieser Mann hat die Fähigkeit, das Cello einmal wie eine weinende Frau klingen zu lassen und im nächsten Moment wie ein lachendes Kind. Wenn ich ihm zuhöre, wird mir immer wieder klar, warum ich überhaupt mit dem Cellospielen angefangen habe – in dieser Musik liegt etwas so Menschliches, Ausdrucksstarkes.
    Als das Konzert anfing, warf ich Adam aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Er schien die Sache mit Fassung zu tragen, aber er schaute immer wieder in das Programmheft und zählte womöglich die einzelnen Stücke bis zur Pause ab. Ich machte mir Sorgen, dass er sich womöglich langweilte, aber nach einer Weile ließ ich mich ganz von der Musik einfangen. Alles andere war mir egal.
    Dann, als Yo-Yo Ma Le Grand Tango spielte, packte Adam meine Hand. In jedem anderen Zusammenhang wäre diese Geste irgendwie abgedroschen und ungeschickt erschienen, aber Adam schaute mich gar nicht an. Er hatte die Augen geschlossen und schwankte
leicht auf seinem Sitz hin und her. Auch er war in der Musik gefangen. Ich drückte seine Hand, und wir blieben den Rest des Konzerts so sitzen.
    Danach kauften wir uns Kaffee und Doughnuts und gingen am Fluss spazieren. Nebel zog auf, und Adam nahm seine Anzugjacke und legte sie mir über die Schultern.
    »Du hast die Karten doch nicht wirklich von einem Freund der Familie bekommen, oder?«, fragte ich.
    Ich dachte, er würde lachen oder in gespielter Anerkennung seiner Niederlage die Arme hochreißen, wie er es tat, wenn ich ihn in einem Streitgespräch besiegte. Aber er schaute mich nur rundheraus an, sodass ich die Flecken aus Grün, Braun und Grau sehen konnte, die in seinen Augen schwammen. Er schüttelte den Kopf. »Das hat mich zwei Wochen Trinkgeld beim Pizza-Ausliefern gekostet.«
    Ich blieb stehen. Vom Fluss her konnte ich das Wasser plätschern hören. »Warum?«, fragte ich. »Warum ich?«
    »Ich habe noch niemanden kennengelernt, der so wie du in die Musik eintaucht. Deshalb schaue ich dir so gern beim Üben zu. Dann hast du da oben, auf deiner Stirn, die süßeste Falte der Welt«, sagte Adam und berührte mich oberhalb der Nasenwurzel. »Ich bin besessen von Musik, aber selbst ich kann mich nicht so mitreißen lassen wie du.«
    »Was soll das? Bin ich irgendein Versuchskaninchen
für dich?« Es sollte eigentlich scherzhaft klingen, aber die Worte kamen bitter aus meinem Mund.
    »Nein, du bist kein Versuchskaninchen für mich«, sagte Adam. Seine Stimme war rau und erstickt.
    Ich fühlte, wie mir die Hitze in den Nacken stieg, und ich merkte, wie ich errötete. Ich starrte auf meine Schuhe. Ich wusste mit Sicherheit, dass Adam mich in diesem Moment anschaute, und genauso sicher war ich mir, dass er mich küssen würde, wenn ich den Blick hob. Und es überraschte mich, wie

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