Wenn Ich Bleibe
erwachsen werden, war er es, der weinte. Dann trocknete er seine Tränen, wurde erwachsen und nüchtern – und monogam. Jetzt sind acht Jahre vergangen, und sie haben ein Baby. Willow ist einfach fantastisch, auf ihre Art. Einer der Gründe, warum sie und meine Mutter beste Freundinnen wurden, ist, dass Willow genauso knallhart, genauso schmuseweich und eine genauso überzeugte Feministin ist wie meine Mutter. Und das ist vermutlich einer der Gründe, warum mein Vater sie so schätzt, obwohl sie die »Ramones« hasst und Baseball für langweilig hält, während mein Vater die »Ramones« in den Himmel hebt und in Baseball so etwas wie eine Religion sieht.
Jetzt ist Willow hier. Willow, die Krankenschwester. Willow, die kein Nein als Antwort akzeptiert. Sie ist hier. Sie wird dafür sorgen, dass Adam mich sehen darf. Sie wird sich um alles kümmern. Hurra! , würde ich am liebsten schreien. Willow ist da!
Ich bin so eifrig dabei, Willows Ankunft zu feiern, dass es eine Weile dauert, bis ich den Grund für ihre Anwesenheit hier begreife. Und dann ist mir, als hätte ich einen elektrischen Schlag bekommen.
Willow ist hier. Und wenn sie hier ist, wenn sie in meinem Krankenhaus ist, dann gibt es für sie keine Veranlassung mehr, in ihrem eigenen Krankenhaus zu sein. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihn niemals dort zurückgelassen hätte. Auch wenn ich hier bin, wäre sie dort bei ihm geblieben. Er war verletzt und wurde zu ihr gebracht, damit sie sich um ihn kümmert. Er war ihr Patient. Ihre vordringlichste Aufgabe.
Ich denke daran, dass meine Großmutter und Gramps hier in Portland sind, bei mir. Und dass alle im Wartezimmer über mich reden, dass sie tunlichst vermeiden, über meine Mutter, meinen Vater oder über Teddy zu sprechen. Ich denke an Willows Gesicht, aus dem jede Freude weggewaschen ist. Und ich denke daran, was sie zu Adam gesagt hat: dass ich ihn jetzt brauche. Mehr als je zuvor.
Und da weiß ich es. Teddy. Er ist auch tot.
Meine Mutter bekam drei Tage vor Weihnachten Wehen, und trotzdem bestand sie darauf, dass wir zusammen Weihnachtseinkäufe machten.
»Solltest du dich nicht hinlegen oder ins Geburtshaus gehen oder so etwas?«, fragte ich.
Meine Mutter verzog in einem Krampf das Gesicht
zu einer Grimasse. »Nein. Die Kontraktionen sind nicht so schlimm und kommen erst im Abstand von etwa zwanzig Minuten. Als ich mit dir schwanger war und die Wehen kamen, habe ich noch das ganze Haus saubergemacht, von oben bis unten.«
»Mit wehenden Tüchern, sozusagen«, scherzte ich.
»Du bist eine Klugscheißerin, weißt du das?«, sagte meine Mutter. Sie atmete ein paarmal durch. »Mir bleibt noch viel Zeit. Jetzt komm. Wir fahren mit dem Bus zum Einkaufszentrum. Nach Autofahren ist mir jetzt nicht zumute.«
»Vielleicht rufen wir besser Dad an«, schlug ich vor.
Meine Mutter lachte. »Bitte nicht. Ich habe genug mit diesem einen Baby zu tun. Ich brauche nicht noch ein zweites, das ich bemuttern und trösten muss. Wir rufen ihn an, kurz bevor es rauskommt. Es ist mir viel lieber, wenn du in meiner Nähe bist.«
Also wanderten meine Mutter und ich im Einkaufszentrum herum. Alle paar Minuten blieben wir stehen, damit sie sich hinsetzen und tief atmen konnte. Dabei drückte sie mein Handgelenk so fest, dass sie rote Druckstellen hinterließ. Trotzdem war es ein merkwürdig lustiger und produktiver Vormittag. Wir kauften Geschenke für meine Großmutter und Gramps (ein Sweatshirt mit einem Engel darauf und ein neues Buch über Abraham Lincoln) und Spielsachen für das Baby und ein paar Gummistiefel für mich. Normalerweise warten wir auf den Schlussverkauf, wenn wir solche
Sachen brauchen, aber meine Mutter sagte, dass wir dieses Jahr zu sehr damit beschäftigt sein würden, Windeln zu wechseln. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um geizig zu sein. Oh, Scheiße! Entschuldige, Mia. Komm weiter. Kaufen wir uns was zum Futtern.«
Meine Mutter aß ein Stück Kürbiskuchen und ein Stück Bananentorte. Ich entschied mich für Blaubeerpfannkuchen. Nachdem sie aufgegessen hatte, schob sie den Teller von sich und verkündete, sie sei jetzt bereit, zur Hebamme zu gehen.
Wir hatten nie darüber geredet, ob ich bei der Geburt dabei sein würde oder nicht. Zu dieser Zeit habe ich meine Eltern überallhin begleitet, also war es irgendwie ganz selbstverständlich. Wir trafen uns im Geburtshaus mit meinem Vater, der mit seinen Nerven völlig am Ende war. Das Geburtshaus ist ganz anders als
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