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Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)

Titel: Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fulvio Ervas
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schweigt.
    »Haben wir Angst vor Mexiko?«
    »Nein, Papa.«
    »Na, ein bisschen fürchten wir uns schon, gib es zu…«
    Da ist er wieder, dieser Blick, als sähe er von einem Berg auf mich herab.
    Der Vormittag ist kalt. Lorenzos Einladung reizt mich, ich will seinem Ruf folgen, über die Grenzmauer hinweg bis ins Herz von Mexiko. Vorher müssen wir aber noch das Motorrad abliefern und die Lederjacken, Regenanzüge und Pullover mitsamt der Tasche, die auf dem Tank untergebracht war, nach Hause schicken. Und natürlich Flugkarten kaufen. Auch ein Besuch in der Wäscherei wäre angebracht, um die restliche Kleidung wieder salonfähig zu machen. Aber eins nach dem anderen.
    Im Hotel begegnen wir keinem der Hochzeitsgäste vom Vortag. »Vielleicht schläft das Brautpaar noch«, sagt die junge Frau vom Empfang und lächelt uns verschwörerisch zu.
    Wir bummeln durch Santa Monica, das eine Menge Attraktionen bietet, improvisierte Shows, Akrobaten beim Training. Es ist zu kalt, um am Strand zu liegen, und für Andrea heißt die einzige akzeptable Alternative ›Motorrad fahren‹. Kreuz und quer erkunden wir Los Angeles: Melrose Avenue, Ocean Drive, Hollywood und Sunset Boulevard, den Walk of Fame und andere berühmte Plätze, auf die wir zufällig stoßen. Oder sie auf uns. Das macht ja keinen Unterschied.

Schwarze Löcher
     
    Wir haben die Harley abgeliefert. Es war wirklich hart, mindestens fünfmal bin ich umgekehrt, um zu prüfen, ob alles in Ordnung ist, ob ich keinen unsichtbaren Schaden verursacht hatte. Andrea hat das Motorrad sogar geküsst, als wäre es tatsächlich ein Pferd, ein starker, zuverlässiger Vierbeiner, der uns klaglos mehr als neuntausend Kilometer auf dem Rücken getragen hat. Es war uns richtig ans Herz gewachsen.
    »Andre, ab jetzt sind wir zu Fuß«, habe ich zu ihm gesagt.
    »Fuß…«
    Auf Zehenspitzen natürlich.
    Das Wetter ist immer noch grau. Wir haben einen Waschsalon aufgesucht. Wenn die Leute ihre Wäsche in die Maschine gestopft haben, gehen sie meist spazieren oder setzen sich ruhig hin, um ein Buch zu lesen. Wir nutzen die Zeit, um uns umzuschauen. Andrea starrt auf das Bullauge, folgt mit dem Blick dem schwappenden Wasser, den sich drehenden Kleidungsstücken, dem Schaum, der am Glas hochspritzt. Ich frage mich, was ihn daran wohl so fasziniert, was er sich in seinem Geist zusammenreimt. Ein wenig hypnotisch ist es schon, das gebe ich zu, aber ich kann mich höchstens einige Sekunden darauf konzentrieren, Andrea dagegen scheint mitzuschwingen, die Bewegung zieht ihn an, und die ganze Welt kreist wie eine Wäschetrommel.
    Eine Frau kommt, um ihre fertige Wäsche zu holen, sieht Andrea mit seinem starr dem Bullauge zugewandten Gesicht, deutet auf ihn und sagt zu mir:
    »Haben Sie gesehen, was der da macht?«
    »Er beobachtet eine Parallelwelt. In der Waschmaschine gibt es ein Schwarzes Loch.«
    »Wollen Sie mir damit sagen, dass diese Geschichte von den Schwarzen Löchern, die uns mit anderen Galaxien in Kontakt bringen, wirklich wahr ist?«
    »Absolut. Der Junge muss eins gesichtet haben.«
    Ich packe unsere Kleider in die Rucksäcke. Also, wo liegt Mexiko? Womit fangen wir an? Mit einer Flugkarte, logisch. Morgen stehen wir früh auf, gehen zum Flughafen und erledigen alles dort, wie es sich ergibt. Ab morgen ist Mittelamerika angesagt. Uns steht ein Abschied bevor, kleinere Abschiede haben wir ja schon viele erlebt. Einen an jedem Ort, an dem wir länger als einen Tag geblieben sind, so lange braucht man, um ein bisschen emotionale Bindung aufzubauen und Erinnerungen zu sammeln.
    »Alles klar, Andre?«
    »Klar, Papa.«
    Das kleine Raumschiff weicht von der Rückflugroute ab, wir zünden die Zusatzraketen und suchen ein anderes Sternsystem! Unser familiäres Cape Canaveral wird nicht einverstanden sein: Verrücktheiten aushecken ist okay, aber diese Sache mit Mexiko ist unerhört, die spinnen wohl – mir ist, als könnte ich sie hören –, was wollen sie uns eigentlich beweisen, was haben wir ihnen bloß angetan, dass es sie so weit wegtreibt? Nichts, das wisst ihr ja, wir sind doch nicht auf der Flucht. Wir sind vielmehr wie Gänse, deren Orientierungssinn durcheinandergeraten ist. Apropos Orientierung, einen Kompass könnten wir in Mexiko bestimmt gut brauchen.
    Die letzte Nacht in den States: Unser Filmvertrag ist abgelaufen. Das weite, küstenferne Amerika ist nur Raum, Raum und noch einmal Raum, streckenweise atemberaubend schön, dann wieder anonym und unbefriedigend, es

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