Wenn ich dich umarme, hab keine Angst: Die wahre Geschichte von Franco und Andrea Antonello erzählt von Fulvio Ervas (German Edition)
oder nicht?«
»Nein.«
»Okay, Privacy über alles…«
Ich habe mich angestrengt, um ein schönes Abendessen zu kochen, habe die Eisverkäuferin eingeladen und auch Tulio, den Hippie. Wir verbringen einen lustigen Abend. Andrea ist präsenter. Er bewegt sich viel, setzt sich neben die verschiedenen Gäste, scheint allen zuzuhören. Er beteiligt sich, auf seine Weise.
Angelica ist im Gespräch sehr zurückhaltend. Ich frage sie nach ihrer Familie, doch sie gibt nicht viel von sich preis. Als sich alle anderen verabschieden, kommt sie, knetet ein bisschen ihre Hände, fixiert mich und sagt, dass sie mit Andrea schlafen will. Sie wartet nicht auf die Antwort, sondern fragt mich um Rat, wie sie sich ihm gegenüber verhalten soll. Innerlich schwitze ich, bemühe mich aber, mein Unwohlsein nicht zu zeigen, und erkläre noch einmal Andreas Rituale, die Zeichen, an denen man, meine ich, erkennen kann, dass er nervös wird.
Ich gehe zurück auf die Terrasse, lasse die beiden allein. Mein Herz rast. Wenige Minuten später höre ich einen lauten Krach. Die Tür fliegt auf, und heraus kommt Angelica mit geweiteten Augen. Andrea hat heftig ihre Brüste gedrückt und ihr dabei weh getan, das hatte sie nicht erwartet. Es hat sie erschreckt. Ich versuche sie zu beruhigen, hole Andrea und sage zu ihm, er solle sich entschuldigen. Er ist sehr aufgeregt.
»Andrea, hör zu, Mädchen darf man nur ganz zart streicheln, wie eine Blume!«
Er antwortet nicht, sein Blick verrät, dass er weit weg flüchtet. Nein, Andre, bleib hier.
»Sollen wir Angelica nach Hause bringen?«
»Nach Hause die Angelica.«
Ich sehe das Mädchen an und begreife, dass es auch für sie das Richtige ist.
Wir machen uns auf den Weg, ich spüre die Verwirrung des Mädchens, und als sie sich an der Tür von Andrea verabschiedet, hört man aus ihrem Tonfall die Niederlage heraus. Oder bilde ich mir das bloß ein, ist das meine eigene Gemütsverfassung, und sie ist nur etwas durcheinander?
Zurück spazieren wir am Strand entlang, Andrea und ich. Die Nacht ist hell, im Wasser spiegelt sich der Mond. Um uns ein wenig zu beruhigen, gehen wir noch einmal zu dem Restaurant von heute Mittag, wo der kleine Fluss in den Ozean mündet. Das Glitzern und die Strömung erzeugen seltsame, ineinanderfließende Wellen. Andrea möchte sie durchwaten, ich halte ihn fest. Schwierig einzuschätzen, wie tief dieses quecksilbrig schimmernde Gewässer ist. Andrea streicht mit der Hand darüber, er ist ganz fasziniert. Ich muss ihn gewaltsam wegziehen, um ihn nach Hause zu bringen.
Skilehrer
Der Morgen ist bewölkt, wir bleiben auf der Veranda, knabbern Kekse und lassen zu, dass die Zeit uns zwischen den Fingern zerrinnt.
Was ist los? Frei fuhren wir durch die Gegend, und jetzt sind wir hier und müssen uns mit einem Wirbelsturm menschlicher Gefühle auseinandersetzen. Andreas Welt kann man nicht mit einem einzigen Blick oder einem einzigen Leben erfassen. Ich muss wohl noch tausendmal geboren werden und Andrea folgen, bevor ich seine eleganten Bewegungen und ihr Geheimnis verstehe.
Ich rufe Odisseu an, um mit ihm über gestern Abend zu reden, er möchte lieber persönlich darüber reden und bestellt mich zur gewohnten Bank am Platz.
Als er uns sieht, schlägt er vor, Andrea solle ein wenig bei der Eisverkäuferin bleiben. Ich zögere.
»Lass nur, da hat er Spaß«, beharrt Odisseu.
Wir setzen uns wie alte Vertraute. Odisseu beruhigt mich: Er hat schon mit Angelica gesprochen, das Mädchen ist erschrocken, hat aber begriffen, dass keine aggressiven Absichten dahintersteckten, dass es eine instinktive Reaktion war. Sie wirkte ganz gefasst.
»Aber ich vermute, sie will ihn nicht mehr sehen, oder?«, frage ich ängstlich.
»Das weiß ich nicht.«
»Aber wer ist diese Angelica eigentlich?«
Odisseu sieht mein Gesicht und wird finster.
»Angelica ist ein anständiges Mädchen! Komm nicht auf dumme Gedanken! Es reicht, ihr nicht zu sagen, was sie tun soll und was nicht.«
»Okay.«
Verwirrt stehe ich auf, sehe aus dem Augenwinkel Andrea an der Ecke des Platzes, die Eisverkäuferin läuft hinter ihm her. Er taucht auf der anderen Seite wieder auf, diese Art zielloses Versteckspiel liebt er.
Beim Rundgang durchs Dorf entdecke ich eine kleine Mechanikerwerkstatt, wo es aussieht wie früher: aufgehängte Fahrräder, die auf die Reparatur warten, Berge von Motoren, Geruch nach Schmieröl, eine einzige brennende Glühbirne, zum Verkauf stehende Motorräder mit dem Schild
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