Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Fotos gesehen. Ich glaube nicht, dass Alison sich damals selbst verletzt hat.«
Die andere drehte sich vollends um. »Mutter Teresa sind Sie nicht. Was springt für Sie dabei raus?«
»Es ist mein Beruf, und ich bin gekommen, weil ich weder den Clubs noch einem Spieler zu irgendetwas verpflichtet bin. Deshalb bin ich unvoreingenommen. Und ich halte nichts davon, sich das Schweigen eines Zeugen mit Geld zu erkaufen.«
Die Frau hielt inne und sah einem vorbeifahrenden Fernsehtechniker nach. »Sie wollen mir weismachen, Sie würden wirklich Nein sagen, wenn man ihnen zigtausend Dollar vor die Füße wirft? Wenn Sie arm wären und das Geld bräuchten?«
»Ich würde meine Zulassung riskieren, wenn ich Schmiergeld annähme.«
Die andere lachte höhnisch und sperrte die Fliegengittertür auf.
Anya unternahm einen letzten Versuch. »Ich muss arbeiten, um meine Familie zu ernähren.«
»Mädchen, du kommst nicht bloß aus einem anderen Land, du kommst von einem anderen Planeten! Ich kenn nicht viele, die ein paar Tausend Dollar einfach liegen lassen.«
Anya lächelte verlegen und zuckte die Achseln.
Die Stirnfalten der anderen entspannten sich ein wenig. »Ich rede dauernd an meine Schwester hin, sie soll mal mit jemand anderem reden als immer nur mit mir. Mit einer, die was davon versteht.«
Sie taxierte die Besucherin etliche Sekunden. »Ich bin Bethany.«
Anya winkte dem Taxifahrer, der langsam anrollte und wegfuhr. Sie streckte den Arm aus und nahm eine der Einkaufstüten. Während Bethany mit den beiden Schlössern beschäftigt war, bemerkte Anya die Kamera an der Dachkante. Nach einem kurzen Rundumblick stand fest, es war das einzige Haus mit solchen Sicherheitsvorkehrungen.
In der Diele warf Bethany die Schlüssel auf ein Tischchen.
»Ali, wir haben Besuch.«
Es dauerte eine Weile, bis Anyas Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Bethany ging in eine kleine, aber aufgeräumte Küche und stellte die Einkäufe auf die Bank. Sie zog mit einem beherzten Ruck den Vorhang auf. Es wurde hell im Raum.
»Anscheinend hat sie uns reden hören und alle Schotten dicht gemacht. Gott hat das Licht geschaffen, damit wir nicht im Dunklen sitzen müssen.«
Sie nahm Anya die Tüte ab und verräumte Kartons mit Keksen, Nudeln und Frühstücksflocken rasch in verschiedene Schränke.
»Alison! Ich sagte, wir haben Besuch.« Etliche Fertiggerichte aus der zweiten Tüte verschwanden im Tiefkühlfach des betagten Westinghouse-Kühlschranks. »Ich mach uns schnell was zu Mittag. Dann muss ich wieder in die Arbeit.«
Bethany war eine Macherin und sehr diszipliniert, was sich gerade auch daran zeigte, dass sie die Lebensmitteleinkäufe in der Mittagspause erledigte.
Unter der Tür tauchte jetzt eine fragile junge Frau von knapp einem Meter sechzig auf, der Großteil des Gesichts wurde von langem Haar und Pony verdeckt. Sie lehnte an der offenen Tür wie ein schüchternes Kind, das sich vor der Begegnung mit einem Fremden scheut.
»Wieso hast du ihn aufgezogen?«, fragte sie an die Schwester gewandt.
»Man muss in seinem eigenen Haus was sehen können.« Sie füllte einen Kessel mit Wasser und stellte ihn auf den Gasherd. »Ich muss wieder in die Arbeit, aber ein bisschen kann ich noch bleiben.«
Langsam kam die Frau ins Zimmer und setzte sich an das Kopfende des laminierten Küchentischs, das Gesicht vom Fenster abgewandt.
»Tut das Licht weh?«, erkundigte sich Anya.
»Mit den Augen, die der liebe Gott ihr geschenkt hat, ist alles in Ordnung.« Bethany kramte in den Küchenschubladen und Schränken. »Wo zum Kuckuck hast du das Messer jetzt schon wieder versteckt?«
Wortlos stand Alison auf und griff in einen Schrank. In einer länglichen Auflaufform lag ein Hackmesser.
Unter Anyas Blicken schlurfte sie an den Tisch zurück und setzte sich, die Hände an die Kehle gelegt. Einen kurzen Moment lang sah man die Narben in ihrem Gesicht.
Sie fühlte mit dieser Frau. Zweifellos hielt sie die Vorhänge geschlossen, damit man sie nicht deutlich sehen konnte. Dass sie die Messer immer wieder an einem anderen Ort versteckte, sobald ihre Schwester aus dem Haus war, war alles andere als eine normale Sicherheitsmaßnahme, selbst wenn sich Kinder im Haushalt befunden hätten. Dies war eine verängstigte, traumatisierte Frau. Sie hatte rein gar nichts mit dem Bild gemein, das die Medien von der geldgierigen Erpresserin gezeichnet hatten, die es auf den unschuldigen Footballer abgesehen hatte.
»Ich hätte gerne über Liam
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