Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)

Bedienung. »Einen Truthahnwrap mit Cranberry-Soße und Potatowedges, bitte. Was möchtest du, Anya?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Für mich bitte nichts.«
    Gleich darauf kamen Hannah, Dakota und Mary von der Toilette zurück. Hannah wirkte gelöster, aber um die Augen herum konnte Anya ihr die Belastung ansehen.
    »Na schön, ich brauche eure Meinung«, sagte Hannah. »Die Vorhänge.« Sie zog zwei Stoffmuster heraus. Das eine hellrot mit Karos in Pastell, das andere malvenfarben mit violetten und türkisfarbenen Blümchen.
    Im selben Moment vibrierte ihr Handy, und sie schaute argwöhnisch auf das Display. »Ich brauche schon wieder eine neue Nummer. Das ist eine SMS . Von Brett.« Sie legte das Handy weg, und Dakota nahm es und sagte: »Wenn er dich bedroht, ist das ein Fall für die Polizei.«
    Nach kurzem Schweigen gab Dakota den Inhalt der SMS laut wieder. »Er sagt, er verzeiht dir und will dich zurück.«
    Hayden strich sich über den Schnurrbart. »Ich bin nur zu gern bereit, dich bei der guten Sache zu unterstützen, Anya, mit all meinen Mitteln.«
    Anya sah auf die Uhr. »Das werde ich ans Gesundheitsministerium weitergeben. Tut mir leid, dass ich mich schon verabschieden muss, aber ich muss meinen Flieger erwischen.«
    Hannah stand auf und nahm Anya fest in den Arm. »Vielen Dank, Anya. Ohne dich hätte ich es nie erfahren und wäre immer noch Brett und seinen Kumpanen ausgeliefert.«
    Anya legte ihr die Handflächen auf die Schultern und wusste nicht recht, was sie sagen sollte. »Ich habe nur meine Arbeit getan. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich nie damit angefangen, mich in die Kultur des Männersports einzuarbeiten, und die Regierung hätte keine ersten Schritte eingeleitet, um dagegen vorzugehen.« Hannah löste sich von ihr. »Und wenn du wirklich meine Meinung hören willst, ich würde das Blümchenmuster nehmen. Die Farben sind fröhlich und die Blumen winterfest.«

4
    Anya hätte sich am liebsten übergeben. Das war schlimmer als vor Gericht auszusagen, fast wie das mündliche Examen nach dem Medizinstudium. Das Äquivalent zu sechs Prüfungsvorsitzenden – der Senatsausschuss – saß bereit, um sie in Stücke zu reißen und zu demütigen, nur dass es diesmal in aller Öffentlichkeit passierte. Dafür sorgten die Fernsehkamerateams.
    Die Studie, die sie gemeinsam mit Professor Nigel Everett ausgearbeitet hatte, sorgte nach wie vor für internationale Aufmerksamkeit. Infolge der Veröffentlichung im International Journal of Forensic Science hatten Fachzeitschriften für Psychologie und Sport ebenso wie Magazine in aller Welt Artikel gebracht. Die Medien in den Vereinigten Staaten schlachteten eine Reihe von angeblichen Gang Rapes in Spitzenvereinen aus, um mit Sex, Prominenz, Geld und Skandalen ihre Geschichten zu verkaufen, und beriefen sich dabei auf die Studie. Das war nicht das Echo, das sie erwartet hatte, seit sie nach den Erfahrungen mit Hannah das Gruppenverhalten im Mannschafssport genauer untersucht hatte.
    Die Kommission zur Erarbeitung eines Verhaltenskodex für Sportler hatte Anya gebeten, ihre Untersuchungsergebnisse vorzustellen. Professor Everett war eigens dazu von seinem Altersruhesitz, einer Villa in Florida, nach Australien eingeflogen, allerdings nur unter der Bedingung, dass er unmittelbar im Anschluss mit seinem Freund, dem forensischen Pathologen Dr. Peter Latham, der zugleich Anyas Mentor war, Fliegenfischen gehen könne.
    »Ein toller Vormittag«, freute sich Nigel und schlug die behandschuhten Hände zusammen. Ungeachtet der Kälte, die so gar nicht dem Wetter in Florida entsprach, schien er sich aufrichtig zu freuen, hier zu sein. Trotz des wolkenlosen Himmels über Canberra lag die Temperatur noch knapp unter der Zwei-Grad-Celsius-Marke. Anya konnte weder die Begeisterung des Professors über das Wetter noch sein Entzücken über die Fernsehteams teilen, die sich vor dem Parlamentsgebäude postiert hatten.
    Sie schlüpfte durch die Glastür und überließ es Nigel, ein kurzes Interview auf der Treppe zu geben, schließlich war er ein alter Hase im Umgang mit den Medien. Er hatte die Täterprofile einiger der meistgesuchten Verbrecher in den Vereinigten Staaten erstellt und war gern gesehener Gast in Nachrichtensendungen und Talkshows.
    Anya hatte Nigel während ihrer Zeit als Praktikumsärztin in der Pathologie kennengelernt und sofort verstanden, was die Freundschaft zwischen ihrem damaligen Vorgesetzten Peter und dem extravaganten Professor ausmachte. Wo