Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Peter ernst und methodisch war, sprühte Nigel vor Esprit und verließ sich oft auf sein Bauchgefühl. Die Yin-und-Yang-Freundschaft hielt bereits seit Jahrzehnten.
Anya hatte die Studie in erster Linie Peter zu verdanken. Nach der Begegnung mit Hannah hatte Anya bemerkt, dass die Anzahl der Frauen stieg, die die Zentren für sexuelle Übergriffe aufsuchten, weil sie von einer Gruppe von Mannschaftssportlern vergewaltigt worden waren, und sie hatte den Entschluss gefasst, eine Befragung unter männlichen Profisportlern und Vereinen durchzuführen, um deren Einstellung zu sexuellen Übergriffen zu dokumentieren. Peter hatte seinem langjährigen Freund von dem Vorhaben berichtet, und Professor Everett hatte sich bereit erklärt, als Koautor an der Studie mitzuwirken. Durch seine Bekanntheit war es gelungen, staatliche Fördergelder und schließlich auch internationale Aufmerksamkeit für die Arbeit zu gewinnen.
Heute hatte er sich seine geblümte Lieblingsfliege umgebunden, war in ein grünes Jackett geschlüpft und hatte sich sogar extra den kurzen grauen Bart gestutzt. Mit rund einem Meter sechzig, Spazierstock und schalkhaftem Grinsen war er für Anya von einem irischen Kobold praktisch nicht zu unterscheiden.
Anya strich sich den Rock ihres Kostüms glatt und wartete auf den Kollegen. Ein ihr unbekanntes Mitglied des Komitees kam auf sie zu.
»Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, Dr. Crichton. Wir sind alle sehr gespannt, was Sie zu sagen haben.«
Angesichts des großen Medienechos standen die Politiker den Ergebnissen der Studie weit aufgeschlossener gegenüber, als andernfalls zu erwarten gewesen wäre. Gerüchten zufolge waren nicht alle Ausschussangehörigen erfreut über die Presseaufmerksamkeit.
Mit einem selbstzufriedenen Grinsen stapfte Nigel durch die Tür. »Einen Dreisekünder und einen Zehnsekünder haben sie von mir bekommen. Man muss es nur schlicht genug halten, dann kriegt man sie immer.« Er drückte ihr fest die Hand und flüsterte: »Entspannen Sie sich, und vergessen Sie nicht zu atmen, ein und aus. Sie müssen sich nur immer wieder klarmachen: Niemand versteht mehr von Ihrer Arbeit als Sie.« Er bot Anya den Arm an. »Wollen wir?«
Sie durchliefen die Sicherheitsschleuse und kamen in einen Raum mit u-förmig angeordneten Tischen, davor standen zwei Stühle mit Mikrofonen. Seitlich saß ein Stenograf, und die Kamerateams waren in Stellung. Im Normalfall verrichteten die Ausschüsse ihre Arbeit unbemerkt von der Öffentlichkeit, diesmal aber war das Interesse nach einem Gruppensexskandal um einen ehemaligen Footballstar groß. Ungeachtet des Flehens der betroffenen Frau und der Verbandsleitung hielt er sich an den Schweigekodex und weigerte sich, die Namen seiner Mittäter preiszugeben.
Zeitgleich mit der allgemeinen Entrüstung wurde die Studie veröffentlicht und der Senatsausschuss zu sexuellem Fehlverhalten im Sport eingesetzt. Bislang hatten Sozialberichterstatter, Sportmanager und Trainer vor dem sechsköpfigen Komitee ausgesagt.
Anya und Nigel nahmen ihre Plätze vor den zwei Frauen und vier Männern des Ausschusses ein. Die Vorsitzende, Senatorin Woodrow, ergriff das Wort.
»Ich danke Prof. Everett und Dr. Crichton, die auf ihre eigenen, beträchtlichen Kosten vor diesem Ausschuss erscheinen.« Die Vorsitzende fuhr fort. »Wir alle haben Ihren Bericht erhalten und gelesen und interessieren uns insbesondere für die Ergebnisse Ihrer Studie. Ich für meinen Teil bin bestürzt und alarmiert von den Befunden. Hätten Sie die Güte, uns zu berichten, wie Sie zu Ihren Schlüssen gelangt sind?«
Anya wollte das Wort an Nigel übergeben, doch der blieb stumm und hielt den Kopf gesenkt. Kurzzeitig befürchtete sie, er wäre eingenickt. Sie räusperte sich und fing an.
»Wir zeigten fünfhundert männlichen Profisportlern aus unterschiedlichen Sportarten von Schwimmen, Rugby Union, Rugby League, Fußball, Australian Football bis Tennis eine Reihe von kurzen Filmen. Anschließend zeigten wir dieselben Szenarien fünfhundert Studienanfängern an der Universität und verglichen die Reaktionen.«
Von der Seite näherte sich eine Frau und rückte Anya das Mikrofon näher an den Mund. Die Ausschussmitglieder blätterten in ihren Unterlagen.
»Zur Klarstellung«, forderte die Vorsitzende, »was war der Hauptunterschied zwischen den Gruppen?«
Anya warf einen Seitenblick auf Nigel, der den Kopf immer noch gesenkt hielt. »Bei jenen Sportarten, bei denen die Mannschaft im
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