Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
beschützen versucht hatte. Ihr Unbehagen wuchs. Was wollte der hier?
Mittlerweile hing der ganze Saal förmlich an Nigels Lippen. »Mit anderen Worten, Herr Senator, wir haben es hier mit einer bestürzenden Entwicklung zu tun, die Ihnen in Ihrem Umfeld als Volksvertreter auch schon begegnet sein könnte. Womit wir es zu tun haben ist Machtmissbrauch. Schlicht und ergreifend.«
»Dr. Crichton«, fragte die Vorsitzende, »warum sind, Ihrer Erfahrung nach, Frauen, die von Footballspielern vergewaltigt wurden, so selten bereit, den Vorfall zur Anzeige zu bringen?«
Anya führte zunächst den Fall einer jungen Kellnerin an, die angegeben hatte, bei einer Siegesfeier nach einem Spiel von vier Footballern vergewaltigt worden zu sein. »Als ich die Frau untersuchte, die vorschriftsgemäß von der Polizei ins Zentrum für sexuelle Übergriffe gebracht wurde, war sie schwer traumatisiert. Sie weinte und hatte offenbar Angst, die Spieler könnten herausfinden, dass sie zur Polizei gegangen war.« Anya sprach jetzt selbstbewusster, und der Vorfall war ihr in allen Einzelheiten präsent. »Die Spieler waren im Trainingslager und logierten in unmittelbarer Nähe des Lokals, in dem sie arbeitete. Sie fürchtete, sie könnten sie aufspüren und erneut überfallen, deshalb verzichtete sie auf eine Anzeige. Ich musste ihren Wunsch respektieren und die Polizei davon in Kenntnis setzen, dass sie ihre Meinung geändert hatte.«
Der kahle Senator war unbeeindruckt. »Ja, ja, es kann aber auch sein, dass sie gute Gründe hatte, ihre Anschuldigung zurückzuziehen. Diese ›Traumatisierung‹ beruhte womöglich einfach darauf, dass sie sich schämte, mit einem ganzen Haufen Männer ins Bett gestiegen zu sein.«
Wieder meldete sich Senatorin Woodrow zu Wort. »Frau Doktor, lagen manifeste Belege vor, dass diese Frau vergewaltigt worden war?«
»Ja. Die Hämatome an Handgelenken und Oberarmen deuteten darauf hin, dass sie von großen Händen festgehalten wurde, dazu fanden sich zwischen ihren Oberschenkeln faustgroße, frische Hautblutungen. Sie hatte erhebliche vaginale Blutungen und einen Riss, der mit acht Stichen genäht werden musste. Diese körperlichen Befunde decken sich nach meinem Dafürhalten mit ihren Angaben, von mehreren Männern zum gewalttätigen, nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gezwungen worden zu sein.«
»Wieso um Himmels willen hat sie dann keine Anzeige erstattet?«
Anya atmete tief durch. »Kurz vor diesem Vorfall hatte das Fernsehen den Namen einer Frau bekannt gemacht, die einen Rugbyspieler beschuldigt hatte, sie vergewaltigt zu haben. Danach wurde ihr sexuelles Vorleben in sämtlichen Medien genüsslich zerlegt. Und rein zufällig liegen die Senderechte für diese spezielle Ballsportart bei eben jener Fernsehanstalt, die ihren vollen Namen erstmals nannte.«
Zwei Ausschussmitglieder schüttelten, sei es ungläubig oder staunend, den Kopf.
»Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine alleinerziehende Mutter, die verhindern wollte, dass ihre Tochter von dem Vorfall erfährt, dennoch bekam die Presse irgendwie Wind von der Sache. Am Ende verlor sie ihre Arbeitsstelle und musste untertauchen. Sie wusste, dass die Spieler behaupten würden, es habe sich um einvernehmlichen Sex gehandelt, sodass letztlich Aussage gegen Aussage stünde. Sie traute es sich schlicht nicht zu, es mit den vier Vergewaltigern, dem Rest der Mannschaft, den Fans und den Funktionären aufnehmen zu können.«
Anyas Mund und Kehle waren trocken wie Schmirgelpapier. Sie nahm einen Schluck des bereitstehenden Wassers.
»Nur um sicherzugehen, dass wir uns alle verstehen«, fügte Nigel hinzu. »Womit wir es in all diesen Fällen zu tun haben, hat nicht das Geringste mit Sex zu tun. Es geht um Machtmissbrauch der übelsten Art. Die einzige Lösung ist, diese Macht zu beschneiden.«
Der kahle Senator fühlte sich offenbar auf den Schlips getreten. »Ich habe doch sehr den Eindruck, dass Sie hier aufgrund einiger bedauerlicher Einzelfälle ganze Sportarten in den Dreck ziehen wollen. Es kann doch kein großes Problem sein, diese paar faulen Äpfel aus dem Fass auszusortieren.«
Nigel rieb den Knauf seines Gehstocks. »Bei allem gebührenden Respekt, Sir, es geht hier eben gerade nicht um ein paar faule Äpfel, das ganze Fass ist verdorben.«
Ein Assistent reichte der Vorsitzenden eine Notiz, und sie legte die Hand vors Mikrofon, um sich mit ihren Kollegen zu beraten. »Ich möchte Ihnen danken, Herr Professor, Frau Doktor, dass
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