Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)

aus seiner Miene nicht schlau. »Sie sagten doch eben, das Seminar sei nächste Woche.«
    »Korrekt. Und ich bin dazu eingeladen. Dummerweise bin ich aber aufgrund persönlicher Umstände mittlerweile nicht mehr in der Lage, daran teilzunehmen.«
    Ethan trat einen Schritt vor. »Allerdings hat der Prof uns jemanden vorgeschlagen, der an seiner statt die Vorträge vor den Spielern halten könnte. Er versicherte mir, Sie seien wie geschaffen für den Job.«
    Anya sah Nigel von der Seite an, ob das ein Witz sein sollte. Seinem Grinsen nach war er sehr zufrieden mit sich. Der Fuchs hatte es so eingerichtet, dass er im letzten Augenblick einen Rückzieher machte und man ihr den Auftrag anbot. Offenbar hatte Ethan Rye sie bei dem Gerichtstermin in Augenschein genommen. Anya wusste nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte.
    »Erzähl ihr, worum’s geht«, strahlte Nigel.
    Ethan nickte. »Sie bekommen Hin- und Rückflug nach New York gezahlt, erster Klasse, dazu eine Fünf-Sterne-Unterkunft und sämtliche Mahlzeiten und Spesen. Des Weiteren erhalten Sie ein Antrittsgeld in Höhe von 30 000 US -Dollar, sämtliche darüber hinausgehenden Aufwendungen werden nach Ihrem üblichen Stundensatz abgerechnet. Diese werden in US -Dollar abgegolten. Sollten Sie einverstanden und verfügbar sein, so weiß ich, dass einzelne Clubs bereits ihr Interesse geäußert haben, sich von Ihnen in Fragen der Weiterbildung von Spielern beraten zu lassen. Einige würden auch betreffs Einzelfällen auf Sie zukommen, sofern Sie dazu bereit sind. Ich würde Ihnen während des gesamten Aufenthalts mit Rat und Tat zur Seite stehen.«
    Anya fasste es nicht. Dieser Mann bot ihr Geld dafür, Sportlern einen Vortrag zu halten, den sie liebend gerne gratis gegeben hätte, wenn dadurch das Bewusstsein für sexuelle Übergriffe erhöht werden konnte. Sie war noch nie erster Klasse geflogen und wollte schon immer einmal nach New York. Irgendwo musste da ein Haken sein.
    Der Privatermittler griff in die Jacketttasche, zog das Kuvert einer Fluglinie heraus und reichte es Anya.
    Nigel kratzte sich die weißen Stoppel am Kinn. »Dies ist eine einmalige Gelegenheit, Ihren Horizont zu erweitern. Das ist eine ganz große Sache, Anya, und es wird Ihre Karriere immens voranbringen.«
    Der Umschlag enthielt ein auf ihren Namen ausgestelltes elektronisches Ticket und 1000 US -Dollar in bar. Nigel Everett hatte ihr seinen Goldesel vermacht.
    »Aber wieso ausgerechnet ich? Es gibt Scharen von Experten mit einem viel kürzeren Anreiseweg. Das käme erheblich billiger.«
    Ethan Rye konterte. »Ihre Qualifikation ist einzigartig. Bei uns werden Vergewaltigungsopfer entweder vom rechtsmedizinischen Personal oder von Notärzten untersucht. Unsere Pathologen erstellen Gutachten, aber Australien und England sind weltweit führend in der Ausbildung von Rechtsmedizinern. Bei Ihnen wurde das Spezialgebiet der Vergewaltigungsmedizin entwickelt, und Sie verfügen über die Qualifikation und die forensische Erfahrung, um das zu rechtfertigen. Niemand kann Ihre Professionalität infrage stellen. Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, aber Sie genießen in den Vereinigten Staaten höchstes Ansehen. Eine stellvertretende New Yorker Bezirksstaatsanwältin hat Sie uns nachdrücklich empfohlen und den Vorschlag gemacht, Sie sollten zunächst ein Referat über sexuell übertragbare Krankheiten halten und anschließend mit ihr gemeinsam ein Seminar über sexuelle Übergriffe durchführen. So wären die Spieler gezwungen, sich mit den medizinischen und juristischen Folgen ihres Tuns auseinanderzusetzen.«
    Er hatte seine Hausaufgaben gemacht. Die stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, von der er sprach, konnte nur Linda Gatby sein.
    »Angenommen ich schlage ein, wann müsste ich abreisen?« Sie dachte an ihre Lehrverpflichtungen und Ben, ihren Sohn.
    »Sie haben noch Zeit, heim nach Sydney zu fahren, sich von Ihrem Sohn zu verabschieden und zu packen. Übermorgen fliegen wir ab.«

6
    Anyas Taxi fuhr am Sydney International Airport vor.
    »Vielen Dank, Dr. Crichton.« Lächelnd kontrollierte die Frau am Check-in ihren Pass. »Leider gibt es keinen früheren Flug, auf den ich Sie umbuchen könnte.«
    Anya lief rot an. »Alte Gewohnheit. Ich komme immer früh, wenn ich fliege.« Anscheinend kam man als Erster-Klasse-Passagier später, als wenn man Economy flog.
    Sie war noch nie so weit von Ben getrennt gewesen. Ihr fünfjähriger Sohn lebte zwar bei seinem Vater, es war ihr aber ein steter