Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)

längst infiziert.
    Die Frau, die sich gewöhnlich einen eigenen Anwalt anheuert, ist sich der öffentlichen Aufmerksamkeit gewiss, und schon beginnen die »Gespräche« über eine Einigung. Wie bei allen betrügerischen Vorhaben geht es nur um Geld.
    Anyas Hände zitterten so, dass der Kaffee über den Tassenrand schwappte. Sie stellte die Tasse auf dem Nachtschränkchen ab und holte eine Handvoll Papiertücher aus dem Bad, um das Malheur aufzuwischen. Als sie das Schundblatt hochhob, klatschten mehrere Tropfen auf die weiße Bettwäsche. Mist.
    Sie setzte sich auf die Bettkante und wischte sich die Hände ab, ehe sie sich wieder dem Artikel zuwandte. Wer zum Teufel hatte diesen Mist verfasst? Das konnte nur von einem Club lanciert sein, wenn es nicht gleich direkt aus der PR -Zentrale stammte. Unterschrieben war der Artikel mit Annabelle Reichman . Es schockierte sie bis heute, dass es oft Frauen waren, die die übelsten und verleumderischsten Urteile über die Opfer sexueller Gewalt fällten. Das Bauchgefühl sagte ihr, dass der Vorfall um Kirsten Byrne irgendwo in dem Artikel auftauchen würde.
    Bei den zweihundert uns vorliegenden Vergewaltigungsvorwürfen gegen Sportler kam es nur in einem Fall zu einer rechtskräftigen Verurteilung. Die Quote liegt damit unter der allgemeinen Verurteilungsrate. In einhundertneunundneunzig Fällen reichten die Beweise nicht aus, um die Geschworenen zu überzeugen, dass eine Vergewaltigung tatsächlich stattgefunden hatte. Man muss kein Atomphysiker sein, um zu erkennen, dass unsere Spieler leichte Opfer für überehrgeizige, skrupellose Frauen sind.
    Jedem vernünftigen Leser musste klar sein, dass die geringe Verurteilungsrate weit komplexere Ursachen hatte als nur falsche Anschuldigungen. Eine traumatisierte Frau musste außerordentlich stark sein, um sich gegen die PR -Maschinerie eines Profivereins wehren zu können genauso wie gegen Anwälte, Privatdetektive und Medien, die ihr gesamtes Privatleben durch den Schmutz zogen. Zudem war eine Vergewaltigung nach wie vor mit einem starken sozialen Stigma behaftet. Anya fragte sich, wie Annabelle Reichman eine solche Verdrehung der Tatsachen rechtfertigen konnte.
    Der Öffentlichkeit wird dagegen ein völlig falsches Bild von gewalttätigen, privilegierten Sportstars vermittelt. Werden sie für ihre Tätigkeit üppig entlohnt? Ja. Aber welcher Arbeiter an der Wall Street setzt jedes Mal, wenn er zur Arbeit geht, sein Leben aufs Spiel? Unsere Footballspieler sind moderne Gladiatoren, die bei jedem Match in den Krieg ziehen. Jede Verletzung kann zur Berufsunfähigkeit führen, sie müssen also in ihrer relativ kurzen Karriere so viel wie möglich verdienen. Das kann ihnen niemand verübeln. Darüber hinaus engagieren sie sich, ganz ihrer Vorbildrolle gemäß, hinter den Kulissen in hohem Maße für wohltätige Zwecke. Diese Akte der Menschenliebe werden von vielen übersehen oder als selbstverständlich hingenommen, nicht aber von den Tausenden Kindern, denen diese Spieler Ansporn und Hoffnung geben.
    Wenn dem so war, dann plädierte Annabelle Reichman gerade dafür, dass man den Angehörigen der Streitkräfte im Irak und in Afghanistan dasselbe zahlte wie Footballspielern.
    Erst diese Woche behauptete eine Frau, die, verlässlichen Angaben zufolge, wegen eines Geschäftsabschlusses auf Peter Janson zugekommen war, von ihm und seinen Freunden im Anschluss an eine Feier im Rainier Hotel vergewaltigt worden zu sein. Dutzende Zeugen konnten beobachten, wie sie heftig mit Janson flirtete, dabei kräftig dem Alkohol zusprach und sich den ganzen Abend über an ihn ankuschelte, um dann vor aller Welt zu prahlen, dass sie nun mit ihm auf sein Zimmer gehe. Vertrauenswürdige Quellen bezeugen, dass sie sich bereits von einem Anwaltsteam vertreten lässt. Ist dies der erste Schritt, den ein wirkliches Opfer ergreifen würde? Hat sie jemandem auf der Feier von der vorgeblichen Attacke erzählt? Nein, sie hat sich still und leise nach Hause verdrückt. Erst am nächsten Tag will sie plötzlich vergewaltigt worden sein. Wie kann eine gerechte Gesellschaft es zulassen, dass Vorwürfe, die jeder Grundlage entbehren, öffentlich gemacht werden dürfen, ehe die Polizei die Ermittlungen auch nur aufgenommen hat?
    Solche Frauen deuten das Wort »Opfer« um und würdigen es herab.
    Es wird ihnen viel zu leicht gemacht, unsere Helden und Vorbilder mit ihren Vergewaltigungsvorwürfen in den Schmutz zu ziehen. Denn dies ist der neue, schnelle Weg zu Geld