Wenn keiner dir glaubt: Thriller (German Edition)
Öffentlichkeit sollte sich aber für Gewalt gegen Frauen interessieren, vor allem solange diese Kerle ein Vermögen verdienen und bekommen, was immer sie wollen, wann immer sie wollen.«
Ging man nach dem Jubelgeschrei der Menge, dann konnten diese Sportstars überhaupt keinen Fehltritt begehen. Kein Wunder, dass so wenige je wegen häuslicher Gewalt oder Vergewaltigung verurteilt wurden. Als Opfer musste man es nicht nur mit der Justiz aufnehmen, man hatte die ungeheure Schar der fanatischen Anhänger gegen sich. Anya hätte nicht sagen können, was furchterregender war.
17
Da die Spieler den Vormittag über mit Presse- und Wohltätigkeitsterminen zu tun hatten, wollte Anya die wenigen freien Stunden nutzen, um New York kennenzulernen. Da traf es sich gut, dass Ethan Rye anrief und von einer Ausstellung im Metropolitan Museum of Art erzählte, die er sehen wollte. So könnte sie auch etwas mehr darüber herausfinden, was er über das Leben der Spieler abseits des Feldes wusste. Sie hatte den Verdacht, dass er einen Großteil dessen, was er gehört und gesehen hatte, fest unter Verschluss hielt.
Das Hotel lag nicht weit vom Grand Central Terminal, und er schlug vor, die U-Bahn zu nehmen. Durch das Zimmerfenster sah sie, dass die Sonne sich redlich bemühte, in Erscheinung zu treten. Die Straßen waren voller Menschen, teils in Jacken, teils in Hemdsärmeln. Auf dem Nachbargebäude knatterten die Fahnen im Wind. Sie zog Jeans an, eine hellblaue Bluse und bequeme Schuhe, außerdem nahm sie den schwarzen Trenchcoat mit. In der Handtasche hatte sie eine kleine Digitalkamera, die Börse, einen Schal und den Zimmerschlüssel. Ethan stand schon im Foyer, als sie aus dem Aufzug trat.
»Bereit für ein bisschen Kultur?«, fragte er breit grinsend. Er hatte zwei Kaffeebecher in der Hand. »Ich dachte mir, das kann nicht schaden.«
Anya gab gerne zu, dass die Aussicht, Orte zu besuchen, die sie bislang nur aus Filmen oder Büchern kannte, sie in Erregung versetzte. Kaffee schlürfend gingen sie durch die Eingangshalle des Grand Central und auf das Portal der Hauptgleishalle zu. Das Bahnhofsgebäude war so grandios, wie der Name versprach. Das Deckengewölbe mit den Sternbildern war spektakulär. Alles strahlte nostalgische Reiseatmosphäre aus.
»Fällt Ihnen an den Sternbildern etwas auf?«, fragte Ethan.
Astronomie zählte nicht zu ihren Stärken. »Ich kann sie nicht einmal benennen. Außerdem sieht der Sternenhimmel der Südhalbkugel ganz anders aus.«
Ethan blickte nach oben, die Hände in den Hosentaschen. »Es ist genial. Das Ganze ist verkehrt herum. Der Himmel ist so angeordnet, als sähe man von draußen darauf herab.«
Sie kauften sich Fahrkarten und nahmen die U-Bahn zur 86th Street. Hier gingen Eltern mit Kinderwägen und kleinen Hunden spazieren. Pärchen mit Rucksäcken und Decken strebten dem Central Park zu. Anya und Ethan schlenderten in trautem Schweigen Richtung Westen zur Fifth Avenue und dann südlich zur 82nd Street.
Der Gemeinschaftssinn war mit Händen zu greifen. Eine Akrobatentruppe in Basketball-Trikots belustigte die Menschen, die auf der Freitreppe saßen. Etliche ihrer Späße brachten Anya herzhaft zum Lachen, und sie bedankte sich mit einem Zehndollarschein.
Wie Australien so hatte auch Amerika erst eine relativ kurze Geschichte, weshalb man die Schätze des »Met« hier mehr wertschätzte, als es wohl in Europa der Fall gewesen wäre. Kaum war die Taschenkontrolle am Eingang überwunden, breitete sich ein Lächeln über Anyas Gesicht. Unter der hohen Decke, den Kolonnaden und dem Glasdach der riesigen Halle fühlte sie sich beseligend unbedeutend.
»Sie kommen mir vor wie ein kleines Kind in Disneyland«, grinste Ethan.
Über die Haupttreppe ging es zur europäischen Malerei und Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts. Dort schlug die Würde und Fülle der impressionistischen Gemälde Anya sofort in ihren Bann. Sie wandelte zwischen den Werken Manets, Cezannes, Pissarros, Renoirs, Monets und Degas’.
Vor einer Bronzeplastik blieb Ethan stehen. »Was mir gefällt, ist, dass Degas seinen Ballettmodellen alles Glamouröse austreibt und sie in ganz natürlichen Posen festhält.«
»Sie sieht genauso linkisch aus, wie die meisten Teenager sich fühlen.« Anya erinnerte sich gut an die Peinlichkeiten der Pubertät.
»Sie weiß gar nicht, wie schön sie ist. Und das macht sie umso unwiderstehlicher.«
Anya wandte den Kopf, um seinen Gesichtsausdruck zu sehen, doch er war schon
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