Wenn Licht die Nacht durchdringt: (Teil 2) (German Edition)
es nicht gekonnt hatte. Und das wiederum hieß, dass die mächtige Hexengöttin nichts hatte ausrichten können.
„Ich räume das hier auf“, sagte Marah etwas steif und erhob sich, die schmutzigen Teller in Händen haltend, von ihrem Stuhl. Sie wirkte in Gedanken versunken. Obendrein lag ihre Stirn in Falten, was ihrem Gesicht den deutlichen Ausdruck von Anspannung und Sorge verlieh. Nicht wirklich wunderlich, wie sie sich eingestehen musste. Es waren nicht wenige Informationen gewesen, die sie auf einen Haufen zu hören bekommen hatte.
„Wie wäre es, wenn du ein bisschen rausgehst, Frischluft schnappst und dir die Umgebung ansiehst?“, schlug Marah vor. „Also nur im Radius einiger Meter um das Haus herum. Wenn ich hier etwas Ordnung geschafft habe, komme ich nach. Ich muss ohnehin noch den Boden auskundschaften und einen Schutzkreis um das Haus ziehen. Gestern war es schon zu spät und heute Morgen wollte ich dich nicht ganz allein im Haus lassen, da Jo ja schon weg war.“
„Einen Schutzkreis?“, fragte sie, während sie ebenfalls aufstand.
„Um genau zu sein, ein unsichtbarer Schutz. Die Luft soll unseren Aufenthaltsort verschleiern, die Erde als schützende Barriere fungieren. Mit dem Erdelement habe ich Erfahrung und Übung – die Luft wird eine Herausforderung. Wenn ich es hinbekomme, sollte uns niemand finden können, der nicht explizit von diesem Haus weiß. In etwa nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn. Aber ein ganzes Haus samt Bewohner ist schon ein gutes Stück Arbeit …“
Sie nahm Marahs Worte auf, als ihre Hand unwillkürlich an ihren Kopf schnellte.
„Ist alles in Ordnung?“ Marah kam auf sie zu. Nun drückten ihre Stirnfalten offenkundig Besorgnis aus.
„Mir ist nur ein bisschen schwummrig … Wahrscheinlich kommt das vom vielen Denken – oder mehr vom vielen Erinnern.“ Sie hoffte, dass es davon kam. Denn irgendwie war es ein seltsames Schwummrigsein. Seltsam …
bekannt
. Unwillkommen bekannt, mit einem unangenehmen Gefühl der Vorahnung begleitet.
„Dann vielleicht lieber ein Nickerchen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Frische Luft und ein paar Schritte schaden bestimmt nicht. So lange ich langsam mache, zumindest. Ich gehe noch kurz ins Bad, mich frischmachen, und dann vertrete ich mir draußen die Beine.“
„Gwen …?“
Sie stand bereits in der Tür, als Marah sie zurückrief, sodass sie sich nochmals umwandte. Ein angespannter Zug lag in ihrer Miene. „Ja?“
Marah antwortete nicht gleich, sondern musterte sie noch einige Sekunden prüfend und nachdenklich. Schließlich tat sie eine wegwerfende Handbewegung. „Es ist nichts. Ich dachte nur … aber nein. Ich glaube, mein Kopf ist einfach nur großzügiger beladen, als sonst“, sagte sie lächelnd. „Es ist alles in Ordnung.“
Einen Moment war sie versucht nachzuhaken, was Marah durch den Kopf ging oder ihre eigenen Gedanken und Gefühle auszusprechen. Doch sie ließ es sein. Es war zu vage, um es in Worte zu verpacken. Sie brauchte einfach nur etwas Ruhe und Abstand, das war alles.
***
Vor dem Badezimmerspiegel stehend betrachtete Gwen ihr Gesicht. Blass und leicht vorwurfsvoll sah es ihr entgegen, als ob es sie fragen wolle, wo sie da eigentlich hineingeraten war und ob sie nicht einfach Abstand davon nehmen konnte. Sie hob die Hand und fuhr sich bedächtig über das Pflaster an ihrer Wange – einen Moment später waren ihre Finger damit beschäftigt, das Klebeband zu lösen und die Wunde offenzulegen. Sie tat einen hörbaren Atemzug, als der Mull entfernt war. Der Schnitt lief vom Wangenknochen bis hinab zum Kinnansatz. Man konnte sehen, dass die Heilung bereits eingesetzt hatte, doch es würde noch eine Weile dauern, bis sich Fleisch und Haut gänzlich erholt hatten. So gänzlich, wie es ihnen möglich war, zumindest. Nicht die beste Stelle für eine Narbe. Mit großer Wahrscheinlichkeit ein Andenken, das ihr sichtbar bleiben und sie an seine Urheberin erinnern würde. Sie schüttelte die Bitterkeit darüber hinunter und befestigte das Pflaster wieder über der Wunde.Als sie schließlich nach draußen trat, atmete sie einige Male tief durch und genoss die frische Luft. Der Himmel strahlte in einem freundlichen Blau, die Sonne warf sanfte Strahlen und die Temperatur war angenehm, sodass man zwar etwas Langärmliges vertragen, aber leicht ohne Jacke nach draußen gehen konnte. Ein Hauch von Frühling. Ihre Zuflucht, wie sie nun klar sehen konnte, war ein kleines Häuschen im typischen
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