Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
für Harald die Gelegenheit, alles anders und viel besser als seine Eltern zu machen. Beim Bowling mit Kollegen hatte er Sylvia kennengelernt, eine ganz entzückende wasserstoffblonde Enddreißigerin. Sie fiel ihm sofort auf, denn in ihren enganliegenden Leggins, mit denen sie sich anmutig über die Bowlingbahn bewegte, zeichnete
sich ein geradezu anbetungswürdiger Po ab, wie Harald fand. Während sie mit ihren Freundinnen auf der Nachbarbahn herumalberte, konnte Harald seinen Blick gar nicht mehr von diesem apfelförmigen »JeLo«-Imitat lassen. Eine Stunde später verwickelte Harald die Bowlingschönheit in ein längeres Gespräch. Und einige Tage später traf er Sylvia zufällig im Zeitschriftenladen seines Viertels. Sie hatte sich für »Mariebell«, »Brigitte«, »Claire«, »Tina« und »Vogue« entschieden, Harald griff gerade zu »Kicker« und »TV Movie«. Sie unterhielten sich trotz der unterschiedlichen Präferenzen sehr nett, daraus wurden einige Kaffee-Dates, bei denen er erfuhr, dass sie solo, Inhaberin eines Sonnenstudios und Mitglied einer Bürgerinitiative für mehr Anwohnerparkplätze war und samstags zum Power-Yoga ging.
Dann geschah das Wunder: Sylvia stimmte einem gemeinsamen Pfingstausflug nach Paris zu. Von Berlin war es zwar ein weiterWeg nach Frankreich, fand Harald, doch noch weiter würde ganz sicher der Weg durch die erhoffte Verbindungstür zwischen den beiden Einzelzimmern sein, auf die Sylvia blöderweise bestanden hatte. Nach ihrer Trennung sei sie eben noch nicht soweit, beichtete sie ihm mit ernstem Ton und herzerweichendem Augenaufschlag.
Am frühen Pfingstsamstag machte sich Harald auf den Weg. Er hatte den Epremo sogar ein wenig aufgeräumt. Stolz schaute er in den fast leeren Kofferraum seines Wagens, in den er gleich Sylvias Sachen räumen würde, wie ihm schaudernd vor Glück durch den Kopf ging. Harald setzte sich zufrieden hinters Steuer und ließ den Wagen an. Kaum hatte er den Schlüssel in die Zündung gesteckt, ging ein sirenenartiges Warnsignal los. Einige Passanten blieben stehen. »Oh
nein, die Alarmanlage«, schoss es Harald durch den Kopf. Wie ging die nur wieder aus? Harald wühlte in den diversen Ablagefächern nach der Bedienungsanleitung des Wagens, fand aber nichts. Es pochte an die Seitenscheibe. Eine ältere Frau schaute in den Wagen hinein. Harald öffnete die Scheibe und schrie: »Was gibt’s?«
»Ihr Wagen macht schrecklichen Krach, machen Sie das sofort aus«, brüllte die Dame zurück.
Harald war zunächst sprachlos, doch nach einer Schrecksekunde sprang er aus dem Wagen und baute sich vor der Frau auf. »Was glauben Sie? Dass ich das hier zum Spaß mache?« Er schaute auf die Uhr. Er war in einer Minute mit Sylvia verabredet. Sie wohnte nur zwei Straßen weiter, er hatte eigentlich nicht mit einer längeren Anfahrt gerechnet. Die ältere Dame war inzwischen rot angelaufen und brüllte nun weiter gegen den sich beständig steigernden Pfeifton der Alarmanlage. »Wenn Sie den Lärm nicht abstellen, rufe ich die Polizei!« Harald war ohnmächtig vor Zorn, doch gerade als er ernsthaft darüber nachdachte, Gewalt gegen dieses zeternde Wesen anzuwenden, fiel ihm ein, dass es einen kleinen Schlüssel gab, mit dem man die Alarmanlage deaktivieren konnte. Und dieser Schlüssel hing im Schlüsselkasten in seiner Wohnung. Ohne die keifende Frau anzusehen, rannte er los. »Das ist ja die Höhe!«, rief ihm die Nervensäge noch nach, verschwand dann aber um die Hausecke.
13 Minuten nach dem vereinbarten Zeitpunkt hielt Harald vor Sylvias Haus. Sie stand bereits am Straßenrand, und ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. »Danke, dass ich die schweren Koffer alleine tragen durfte«, begrüßte sie Harald. Er schnappte nach Luft und wollte gerade etwas sagen,
als er Sylvia genauer ansah. Sie war geschminkt, hatte einen grellroten Lippenstift aufgetragen und irgendetwas mit ihren Wimpern gemacht. Sie war kaum wiederzuerkennen. An ihrer atemberaubenden Figur, die sie mit einer knallengen weißen Jeans und roten Lackstilettos betonte, hatte sich allerdings nichts geändert. Beeindruckt schluckte Harald die scharfe Erwiderung herunter, die ihm gerade noch auf der Zunge gelegen hatte, und murmelte leise, dass da irgendein Idiot die Straße versperrt habe. Sie schaute ihn schmollend an. »Weißt du, das hat mein Ex auch immer mit mir gemacht. Ständig musste ich warten, ich habe das einfach satt.« Und dann etwas versöhnlicher: »Hilfst du mir jetzt mit dem
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