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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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defekten Aufzugs auch noch vier Stockwerke erklimmen müssen. Einem Schild auf dem Tresen entnahm er, dass sein freundlich lächelndes Gegenüber auf den Namen Mandy Zielke hörte. Mandy schaute ihn mitleidig an. »Ach, Herr Grützner, Sie machen ja Sachen.Also ehrlich gesagt, nach IhremAnruf haben
wir mit Ihnen heute gar nicht mehr gerechnet. Und jetzt ist Herr Beckers schon außer Haus.«
    Während die Reh-Augen um Verständnis warben, rang Harald um Fassung. »Das ist nicht...«, setzte er an.
    »Nun setzen Sie sich erst mal in Ruhe in den Konferenzraum, ich bringe Ihnen einen Kaffee, und dann sehen wir weiter«, schlug Mandy vor. »Vielleicht kann ja unser Prokurist, Herr Lange, mit Ihnen sprechen.«
    Harald fügte sich in sein Schicksal. Die Provision konnte er sich abschminken. Wer immer dieser Lange war, der würde bestimmt keinen Großabschluss tätigen. Harald setzte sich auf den ihm von Mandy augenklimpernd zugewiesenen Stuhl. Er transpirierte fürchterlich, seine Kleidung war zerwühlt, die Schuhe staubbedeckt. Die Anzughose war nicht nur schmutzig, sondern hatte auch ein kleines Loch am Knie abbekommen. Nein, das war nicht sein Tag. Sein einziger Trost war, dass er jetzt auch bedenkenlos den Kaffee verschütten konnte, wie er es leider allzu oft tat, denn sein Lieblingsanzug war eh hin.
    Nach einer Viertelstunde brachte Mandy den Kaffee. Beim Hinausgehen sagte sie beiläufig: »Ach, Herr Grützner, da möchte Sie so ein junger Mann sprechen. Soll ich ihn hereinschicken?«
    Harald stockte der Atem, da stand auch schon John in dem Raum. »Was...?«, setzte Harald an.
    »Nun reg dich ab, Alter«, unterbrach ihn der Langhaarige gleich zu Beginn. »Nur es ist halt so... ich habe da ein Angebot hereinbekommen.«
    Harald starrte den Mann an: »Was meinen Sie denn damit, ein Angebot?«, fragte er vorahnungsvoll.

    »Naja, halt ein besseres Angebot. Himmel, ich muss auch schauen, wo ich bleibe.« John vermied es, Harald anzuschauen. »Jedenfalls: Hier sind die Schlüssel und dein Geld!«
    Harald begann aufzuheulen. Augenblicklich schaute Mandy durch die Tür. »Möchten Sie auch eine Tasse Kaffee?«, fragte sie John. »Nee, danke«, antwortete der und knallte Harald den Fünfziger und die Geldmünzen auf den Tisch. »Waren übrigens nur 88 Euro, find ich ziemlich scheiße, die Nummer«, sagte er missmutig, drehte sich um und ging schnellen Schrittes den Gang hinunter.
    »Hey, Moment mal.Wo ist mein Auto?«, schrie Harald ihm hinterher.
    »Steht vor der Tür auf der Standfläche«, brüllte John zurück und verschwand durch die Glastür. Einen Moment lang stand Harald wie versteinert in dem Konferenzraum. Dann sagte Mandy mit Engelsstimme: »Da würde ich aber lieber schnell mal nachsehen, Herr Grützner. Da steht nämlich keiner lange, die schleppen immer gleich ab...« Harald rannte los. In seinen Ohren sauste es wie wild. »Am besten, Sie kommen morgen Vormittag wieder«, rief Mandy ihm hinterher. »Da ist dann auch Herr Beckers wieder da! Herr Grützner...?« Doch Harald war schon im Treppenhaus verschwunden.
    »Netter Mann«, sagte Mandy zu sich selbst, »aber irgendwie ein bisschen überdreht.«

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten...
    Warum Staus früher einfach besser waren
     
     
     
     
    Wenn Harald Grützner einmal im Monat an einem Freitag seine Eltern besucht, endet der Abend gewöhnlich mit einer Diashow. Harald hasst Diashows, sagt aber nichts. Da flanieren dann seine Eltern in Boxershorts und Badeanzug wahlweise an der Riviera, am Strand von Palma oder von Maspalomas entlang und grinsen unter überdimensionalen Sonnenbrillen in die Kamera. Vater Grützner hat das Fotografieren schon vor Jahren aufgegeben, Harald ist sich auch nicht sicher, ob es heute überhaupt noch Diafilme gibt. Die ausgebleichten Bilder stammen ohnehin allesamt aus den 60er und 70er Jahren, weil seine Eltern zwar auch heute noch reisen, aber doch am liebsten von früher erzählen, als alles noch so sauber und billig und irgendwie wunderschön war. Harald selbst denkt eher mit Schaudern an die Zeiten zurück, als er nassgeschwitzt au der Plastikrückbank des blauen Uolkswagens saß und durch Frankreich, Spanien, Jugoslawien oder Italien befördert wurde. Seine Erinnerungen an Campingplätze und Strände sind auch eher schlecht, denn Harald war damals immer ein bisschen zu dick, zu unsportlich und zu bleichhäutig. In seinen unscharfen Bildern dieser Zeit sieht er kichernde Mädchen (wobei er meist der Auslöser war), Sonnenbrand

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