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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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habe. Die Assistentin der Geschäftsleitung war sehr nett zu ihm. »Wir kennen das,
nächstes Mal reisen Sie besser am Vortag an, Herr Grützner«, sagte sie einfühlsam. »Meinen Sie wirklich, dass Sie es heute schaffen?«
    »Ich bin doch bei Ihnen um die Ecke«, rief Harald.
    »Hmm, das heißt leider gar nichts«, antwortete die Dame.
    Der zweite Anruf galt John. »Hallo«, meldete sich eine ausdruckslose Stimme.
    »Ist da John?«, fragte Harald hoffnungsfroh.
    »Was wollen Sie denn?«, fragte die Stimme, die ihn irgendwie an Darth Vader aus Star Wars erinnerte.
    »Ich habe ein Problem, ich fahre hier seit einiger Zeit durch die Altstadt und bekomme einfach keinen Parkplatz. Können Sie mir helfen?«
    »Wir treffen uns an der Bushaltestelle Domplatte, in fünf Minuten«, keuchte John Vader oder wer immer dort am Telefon war. »Und bringen Sie die Hundert mit.«
    Es klickte in der Leitung. Harald schluckte. Hundert Euro! Und das alles für einen Geheimparkplatz. Er suchte wieder im Navigationsgerät und fand schließlich tatsächlich die angegebene Adresse.
    Fünf Minuten später lenkte Harald seinen Epremo auf die Busspur unterhalb des Doms. Nur wenige Augenblicke später klopfte es ans Fenster. Harald sah in die braunen Augen eines Anfang Zwanzigjährigen mit ungekämmten, schulterlangen Haaren. Der extrem magere Mann trug ein verwaschenes T-Shirt und eine hellbraune Cordhose. Harald ließ die Scheibe der Beifahrertür herunter, doch der Langhaarige hatte bereits das Auto umrundet und riss Haralds Tür auf. »Schnell, Mann, der nächste Bus kommt gleich«, rief er mit seiner heiseren, keuchenden Stimme. »Hast du die Knete?«

    »Ja, aber...«, setzte Harald an.
    »Wenn die dich hier auf dem Busstreifen packen, dann ist der Lappen weg. Geht ganz schnell«, drängelte der Typ. »Also, was ist jetzt?«
    »Ja, setzen Sie sich doch«, empörte sich Harald, »und dann zeigen Sie mir den Weg.« »Wohin denn?«, fragte der Mann. »Ich übernehme den Wagen, und du kannst zu deinem Termin. Hier auf meiner Karte steht die Handynummer, die du anrufst, wenn du fertig bist.«
    Einen Moment lang verstand Harald nur Bahnhof, dann dämmerte ihm endlich, für welchen Service er sich entschieden hatte. Na klar! Es gab keine Parkplätze in dieser verdammten Stadt. Also machten Leute wie John ein Geschäft daraus, das Auto einfach immerfort zu bewegen, während Leute wie er ihre Termine wahrnahmen. Aber einhundert Euro! »Hören Sie, mein lieber... naja, wie immer Sie heißen«, begann Harald, da setzte ein vertrautes Hupen ein. Harald blickte entgeistert in den Rückspiegel. Hinter ihm stand ein Gelenkbus der Kölner Verkehrsbetriebe und war bereits halb auf die Wartespur gefahren, am Steuer saß ein erkennbar übellauniger Fahrer.
    »Mann, der zeigt dich an, das wird unglaublich teuer«, zischte John. »Entweder du steigst aus, oder du kannst die Sache klemmen.«
    »Okay, okay«, beschwichtigte Harald. »Hier ist der Autoschlüssel. Aber ich fürchte, ich habe keine hundert Euro mehr, sondern nur noch 91,50. Tut mir wirklich leid. Aber mir hat auch keiner etwas von diesen Wucherpreisen gesagt.«
    John schien einen Moment lang wirklich zu erwägen, in den Weiten des Kölner Stadtverkehrs zu verschwinden, aber
dann gab er sich einen Ruck. »Ausnahmsweise, weil du ein Freund von Sandra bist!« Harald wühlte in seiner Tasche und gab John die ganzen Wechselmünzen sowie den Fünfziger aus dem Asia-Grill. Dabei fiel ihm ein, dass ja in dem Parkhaus noch mehrere Geldstücke unter die Autos gerollt waren, aber das würde die Sache jetzt nur verkomplizieren.
    Der Busfahrer hatte bereits zu einem Handy gegriffen, es wurde höchste Zeit. Harald schwang sich aus dem Fahrersitz. »Das ist Wahnsinn, du kennst den Mann doch gar nicht«, schoss ihm noch durch den Kopf.
    »Ist im Kofferraum genug Folie?«, fragte der Langhaarige, als er den Motor startete. Harald schaute ihn entgeistert an. »Na glaubst du, von dem Scheiß hier kann man leben?«, rief John. »Ich mach nebenbei noch Fahrten für den Großmarkt und den Friedhofsgärtner. Fische, Blumenerde und so...« Dann fuhr er mit Schwung aus der Busspur und verschwand im Gewusel des Kölner Innenstadtverkehrs. Es hupte wieder, denn Harald stand mit offenem Mund mitten auf der Busspur.
     
    Um 15.20 Uhr sah Harald endlich in die rehbraunen Augen der Sekretärin von Pützens & Beckers. Er keuchte und schwitzte, denn nach einem Dauerlauf vom Dom bis zu dem blau-weißen Haus hatte er wegen eines

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