Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers
abbiegen«, erläuterte das System. Dann schickte sie ihn über Landstraßen, Bundesstraßen, Kreisverkehre. Eine gute halbe Stunde später meldete Olga schließlich: »Nach 400 Metern links auf die A1 fahren.« Harald fuhr auf die Autobahn. Irgendwie war die Sache gerade sehr merkwürdig. Als er den Beschleunigungsstreifen erreichte, sah er das Desaster. Der Verkehr stand. Die Stelle kam ihm verdächtig bekannt vor. Einige Meter weiter hatte er Gewissheit. Olga hatte ihn an den Ausgangspunkt vor dem Kamener Kreuz zurückgelotst. Wütend griff Harald das Gerät und schüttelte es. »Du Dreckbiest, die halbe Stunde war für die Katz«, brüllte er Olga an. Ein Fehler, das Display zerkräuselte, und Olga schwieg beleidigt.
Haralds erster Reflex war, das Fenster zu öffnen und das Navigationsgerät hinauszuwerfen. Doch das wäre nur ein kurzer, billiger Triumph, beruhigte er sich schwer atmend
und fummelte immer noch sehr aufgebracht an dem An- und Ausschalter herum. »Miredita!«, sagte Olga. Harald stöhnte auf. Das einzig Gute war, dass er inzwischen genau wusste, wie man Olga eindeutschte. Nachdem sie wieder betriebsbereit und diesmal mit der dritten der drei Bergstraßen gefüttert war, wollte sie ihn erneut auf die A2 schicken, doch Harald blieb aus schlechter Erfahrung stur. »Wenn möglich, bitte wenden«, plärrte die Stimme. Harald suchte den Lautstärkeregler, fand aber nichts. Der Stau schleppte sich dahin. Nach endlosen Minuten tauchte ein weiteres Autobahnkreuz auf. Auch hier wollte Olga wieder abfahren, aber Harald befürchtete Schlimmes.
Mangels einer besseren Beschäftigung – denn mit dem ursprünglichen Navigationsgerät war leider auch das Audiocenter verschwunden – nahm Harald Olga entschlossen in die Hand.Vielleicht war sie nur falsch programmiert. Da gab es doch diese Funktion »Stauumfahrung«. Harald scrollte mit dem Kugelschreiber durch die Menüs.Wegen der auslaufenden Tinte konnte er einiges schon gar nicht mehr richtig lesen. Außerdem hinterließ der Kuli Dellen in der empfindlichen Oberfläche. Schließlich glaubte Harald, die Funktion entdeckt zu haben. Er aktivierte das Feld, die Sanduhr erschien, und schließlich ertönte der Gong. »Bitte der Straße für einen Kilometer folgen«, verkündete Olga, mit Stolz in der Stimme, wie Harald es schien. Rechts oben auf dem Display blinkte jetzt eine kleine Vignette, die drei hintereinanderstehende, durchgestrichene Autos zeigte.
»Na bitte«, freute sich Harald. »Jetzt rechts«, sagte Olga.
Harald fuhr rechts raus und hätte im selben Augenblick losschreien können. Warum nur vertraute er diesem billigen
Stück Plastikmüll? Er war in eine Tankstelleneinfahrt geraten! Schimpfend fuhr er an den Tanksäulen vorbei, stutzte kurz, als er den grünen VW mit den beiden alten Tanten dort stehen sah – die Nebelschlussleuchte brannte immer noch -, und fädelte sich kurz darauf wieder in den Stau ein. Er hatte nichts gewonnen. Es ging nun eigentlich gar nicht mehr voran. Offenbar hatten sich die zuständigen Behörden für eine Vollsperrung entschieden. »Mehr als 55 Millionen PKWs sind in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen. Und rund 90 Prozent davon fahren dienstag mittags auf der Al«, schimpfte Harald lauthals, da unterbrach ihn Olga. »In 400 Metern rechts abfahren«, verkündete die knarzende Stimme. An sich hätte Harald diese Durchsage nicht aufregend gefunden, schließlich war ja die Stauumfahrung aktiv. Seltsam war nur, dass Olga nun losfuhr, während er hier in der Vollsperrung feststeckte. Harald nahm das Gerät in die Hand. Olga bog ab. »Jetzt links«, befahl sie sich selbst, die Landkarte im Display drehte sich, und der Positionspfeil bewegte sich südlich. Wie gebannt starrte Harald auf das Navigationssystem. Olga bewegte sich offenbar mit Schallgeschwindigkeit. Jetzt fuhr sie wieder auf die A1, bewegte sich an Remscheid und Leverkusen vorbei, wechselte noch dreimal die Autobahn und bog dann mehrfach ab. Als die Vollsperrung beendet war und Harald langsam wieder Gas gab, verkündete Olga mit stolzer Stimme: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.« Der Positionsanzeiger blinkte in der Bergstraße in Bonn, wo Harald sich definitiv nicht befand.
Er hatte die Nase vorläufig voll, deaktivierte das 79,99-Schnäppchen und beschloss, aus dem Gedächtnis bis nach Bonn zu fahren. Dort konnte er dann das Gerät anschalten,
es wieder auf Deutsch umstellen, wie er sich gerade beiläufig erinnerte, und dann mit Hilfe der eigenwilligen Dame
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