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Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers

Titel: Wenn moeglich bitte wenden - Abenteuer eines Autofahrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Schumacher
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die letzten Kilometer bewältigen. Die nächsten Stunden, die er im Schritttempo über die A1 rollte, fand er es geradezu unheimlich ruhig in seinem Fahrzeug. Das Radio fehlte ihm sehr, und Olga plapperte nicht mehr die unzähligen Geschwindigkeitsbegrenzungen heraus. Er überlegte ernsthaft, ob er vielleicht die Sonne anstellen sollte, verwarf den Gedanken aber ganz schnell wieder.
    Vor Remscheid wurde der alte Stau durch einen neuen abgelöst. »Die bauen hier auf drei Spuren aus«, ging ihm durch den Kopf. Dann fiel ihm ein, dass das eigentlich vor 20 Jahren auch schon so gewesen war, da bauten »die« auch bereits die Strecke aus. »Es gibt so Staus, die gehen eigentlich nie weg«, dachte Harald, und ihm fielen Orte des Schreckens wie »Köln-Löwenich«, »Maschener Kreuz«, »Kreuz Weinheim«, »Weiterstadt« oder »Wertheim/Lengfurt« ein. Der Verkehr stand. Inzwischen war es später Nachmittag. Harald hatte nach dem Date auch den geschäftlichen Termin abgesagt und auf den nächsten Morgen verschoben. »Im Grunde könnte ich auch runter von der Autobahn und über Land fahren, ich habe es eh nicht mehr eilig«, sagte er sich. Als es wieder einige Meter voranging, fasste sich Harald ein Herz und fuhr unter Protest seiner Mitreisenden über den Standstreifen zur nächsten Ausfahrt. »Wermelskirchen« stand auf dem Schild. Das hatte er auch schon mal im Radio gehört.
    Am Ende der Ausfahrt stellte sich bereits die Gretchenfrage: Burg oderWermelskirchen? Harald begann Olga trotz der kleinen Meinungsverschiedenheiten ein wenig zu vermissen, verbot sich dann aber diesen Gedanken und gab
Gas. Er bog nach Burg ab, obwohl ihm klar war, dass er eigentlich aufs Geratewohl fuhr. Gleich im ersten Ort war die Durchfahrt wegen einer Baustelle gesperrt. Harald hielt an. Sollte er die Umleitung nehmen oder doch vielleicht in die andere Richtung fahren? Unschlüssig wippte er mit den Knien und warf einen Seitenblick auf die Plastikhülle von Olga. »Gut, ein letztes Mal«, sagte er sich – und kam sich ein bisschen wie der Raucher vor, der mal wieder zur »allerletzten« Zigarette in seinem Leben greift.
    »Miredita!«, sagte Olga.
    »Ja, ich habe dich auch vermisst«, antwortete Harald heiser und begann mit geübter Hand die Einstellungen zu verändern und erneut die Bergstraße in Bad Godesberg einzutippen. Er dachte sogar daran, in den Präferenzen »Autobahn meiden« anzugeben, schließlich sollte ihn Olga nicht wieder in den Dauerstau führen. Nach einigen bangen Momenten des Wartens erklang die vertraute Stimme: »Der Straße für drei Kilometer folgen!«
    »Das ist doch genau das Problem«, rief Harald, dann drehte er und fuhr einfach zurück.
    »Wenn möglich, bitte wenden«, quäkte Olga.
    Harald schwieg verbissen und konzentrierte sich auf die Straße. Nach drei vergeblichen Versuchen änderte Olga plötzlich ihre Meinung: »In 100 Metern links abbiegen.«
    »Na bitte«, sagte Harald erleichtert und lenkte den Wagen sportlich um die Ecke. Er durchfuhr eine Reihenhaussiedlung, kam an einem Waldfriedhof vorbei und passierte die Kindertagesstätte »Die kleinen Strolche«. »Jetzt links!« Harald bremste. Links stand eine Phalanx von Einfamilienhäusern. »Hier ist keine Straße, du blödes Ding«, meckerte
Harald. Er suchte die Häuserfront ab, es dämmerte inzwischen.
    Ein älterer Herr setzte gerade an, die Straße zu überqueren. Harald ließ die Scheibe herunter. »Wissen Sie, wie man hier nach Burg kommt?«, rief er.
    Der Mann blieb stehen. »Kennen Sie die Fachhochschule?«
    »Nein«, räumte Harald ein.
    »Ja, da müssen Sie abbiegen«, sagte der Mann und ging weiter.
    Harald fuhr weiter. »Wenn möglich, bitte wenden«, plärrte Olga. Harald schaute die Tankanzeige an. Wie lange würde er dieses Spielchen mitmachen können? »Olga, hör zu. Wenn wir zurückfahren, stehen wir wieder an der Häuserfront. Da ist keine Straße...«, setzte Harald an, dann wurde ihm bewusst, dass er mit einem Stück Software diskutierte. Beschämt fuhr er weiter. Olga rechnete. »Jetzt links!« Hier bog tatsächlich eine kleine Straße ab. Skeptisch setzte Harald den Blinker, dann sah er das Sackgassenschild. »Ganz tolle Idee«, schimpfte er und setzte zurück. »Na los, sag’s schon, hmm?Wenn möglich...«
    »Wenn möglich, bitte wenden«, sagte die Stimme erwartungsgemäß.
    Harald schnalzte empört. Vor einigen Jahren gab es diese Tamagotchis, die waren kaum schlimmer gewesen. Obwohl kaum mehr als ein Stück Plastik mit

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