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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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Annemie hatte trotzdem all ihren Mut zusammengenommen und mehrere Konditoreien abgeklappert, um nachzufragen, ob sie als Lehrmädchen dort anfangen könnte. Doch sie hatte wenig Glück. Sie war schüchtern, sie war ungelenk, und außerdem hatte sie Angst, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, wenn sie herausfand, dass Annemie eine Lehrstelle als Konditorin angenommen hätte. So verstellte sie sich mit der Befürchtung, ihr kleiner Traum könnte wahr werden, selbst den Weg. Schließlich landete sie in einer kleinen Bäckerei als Verkäuferin, wo man ihr vage in Aussicht stellte, ab und zu beim Kuchenbacken helfen zu können, wenn sie sich erst mal eingearbeitet hätte. Das genügte schon, um Annemie zu begeistern.
    Die Bäckerei gehörte dem Ehepaar Lotti und Wilhelm Studt, und es gab dort bereits eine Verkäuferin in Annemies Alter. Waltraud trug immer roten Lippenstift und kam jeden Montag mit neuen Frisuren in die Bäckerei. Das war Lotti Studt suspekt. Ihrer Meinung nach sollte eine Verkäuferin bei ihr Brötchen verkaufen und nicht Frisurenschau betreiben. Am liebsten hätte sie ihr ein Häubchen verordnet, doch das hätte sie zusätzliches Geld gekostet, und deshalb ließ sie es sein. Waltraud war nachmittags stets allein im Laden, während die Bäckerin erst ihren »Haushalt machte« und dann ihrem Mann das Abendbrot bereitete. Lotti Studt schaute immer wieder kurzzeitig im Laden vorbei, um zu zeigen, dass sie die Chefin war, aber sie stand überhaupt nicht gerne hinter der Theke. Davon, so behauptete sie, bekam man in ihrem Alter Wasserbeine. Hinter der Theke standen nun die beiden Mädchen, und Lotti Studt gefiel es, dass Annemie im Gegensatz zu Waltraud schlicht gekleidet und unauffällig war. Die Bäckersfrau setzte darauf, dass die Hausfrauen gerne bei ihr Brot und Kuchen kaufen würden, und hoffte insgeheim, dass etwas von Annemies Schlichtheit auf Waltraud abfärben würde. Wozu es natürlich nie kam.
    Annemie ging gerne in die Bäckerei. Sie liebte den Duft von frischgebackenen Broten und Kuchen, und sie liebte ihre weiße, gestärkte Schürze, die sie mit einer perfekten Schleife im Rücken über ihre Kleidung band, bevor sie sich hinter die Theke stellte. Nachdem sie erst einmal mit der Kasse vertraut geworden war, mochte sie auch das energische Pling, mit dem sich die Geldlade öffnete und schloss. Im Laufe des Tages sorgte sie stets dafür, dass die Brote in den Regalen hinter ihr akkurat aufgereiht lagen und die Kuchenstückchen in der Vitrine vor ihr immer hübsch und appetitlich nebeneinander aufgebaut waren. Waltraud lachte oft über sie, aber sie musste zugeben, dass Annemie die Reste nachmittags besser verkaufte, weil sie dadurch frischer wirkten.
    Nach Konstanze Ansbach war Waltraud Annemies zweite Freundin geworden. Manchmal erinnerte Waltraud sie ein wenig an Margot Ansbach, ihre Fröhlichkeit war ebenso ansteckend, sie konnte unentwegt schnattern, Kunden nachahmen und Tanzschritte hinter der Theke üben. Doch wenn Waltraud sie zu überreden versuchte, die Tanzschritte mit ihr zu üben oder sich auch einmal die Haare machen zu lassen, wenn sie versuchte, ihr ihren Lippenstift aufzuschwatzen, dann schüttelte Annemie jedes Mal lächelnd den Kopf. Sie liebte es, Waltraud zuzuschauen, aber es war ihr unmöglich mitzumachen. Waltraud war so anders als sie.
    Wenn Lotti Studt nachmittags sagte, sie müsse jetzt hoch in ihre Wohnung, um »ihren Haushalt« zu machen, raunte Waltraud Annemie zu, sie zeige ihr später, wie hart die Chefin oben geschuftet habe. Und wenn die Bäckerin zwei Stunden später wiederkam, um nach dem Rechten zu sehen, und Waltraud auf die Schlaffalten in ihrem Gesicht deutete, wusste Annemie nicht mehr, wie sie das Kichern unterdrücken sollte.
    Als Annemie nach über einem Jahr immer noch nicht wie erhofft in die Backstube gebeten und in die Geheimnisse des Kuchenbackens eingeweiht worden war, bedurfte es vieler auffordernder Blicke Waltrauds, bis Annemie es wagte nachzufragen, wann die Frau Bäckerin denn meine, dass sie gut genug eingearbeitet sei, um hin und wieder beim Kuchenbacken zu helfen. Ihre Chefin musste nun abwägen: Annemie war im Verkauf Gold wert, weil sie so gewissenhaft und ordentlich war. In der Backstube, wo ihr Mann allein oder mit ihr zusammen arbeitete, wollte sie Annemie eigentlich gar nicht haben. Andererseits wollte sie nicht riskieren, sie zu verlieren. Lotti Studt versuchte Annemie einfach noch ein Weile hinzuhalten, bis Waltraud ihr ohne

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