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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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andere um Hilfe bitten. Sie musste doch auch einmal etwas alleine schaffen!
    Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie überhaupt nichts alleine konnte. Es gab mal hier oder da einen Glückstreffer, aber eigentlich konnte sie das alles nicht. Sie schämte sich entsetzlich dafür, dass sie sich eingebildet hatte, es würde ihr Spaß machen, sie fände es toll, so viel zu erleben. Dumm und einfältig kam sie sich vor. Wenn sie daran dachte, wie sie im Edekaladen vor Waltraud und den anderen Kunden getönt hatte, was sie alles erlebte. Es war so peinlich. Bestimmt hatten alle über sie gelacht, sobald sie draußen war. Sie würde am besten mit niemandem darüber sprechen. Eigentlich bräuchte sie keiner Menschenseele davon zu erzählen, wie sehr sie gerade eben versagt hatte. Dieser Gedanke erleichterte sie ein paar Minuten, bis ihr einfiel, dass es einen Menschen gab, bei dem sie nicht darum herumkäme, es zu erzählen: die Braut. Aber das würde sie erst morgen machen. Heute war sie zu nichts mehr fähig. Sie spülte noch die Tassen, räumte auf und sortierte ihre Notizzettel, schaltete den Anrufbeantworter ein und schloss verzagt die Tür, die sie vor wenigen Stunden noch so freudig geöffnet hatte.
    Zu Hause streifte Annemie im Flur die Schuhe von den müden Füßen und stellte sie ordentlich nebeneinander, um gleich in die gemütlichen Hausschuhe zu schlüpfen, die ebenso ordentlich daneben standen. Dann ging sie direkt ins Wohnzimmer, wo die Hortensie des sonderbaren Gärtners auf einem Tischchen vor dem Fenster stand und ein wenig die Blätter hängen ließ. Sie gab ihr Wasser und betrachtete das Blau ihrer Blüten. Es tröstete sie ein wenig über ihren schrecklichen Reinfall bei Frau Hartmann. Liz hätte bestimmt gewusst, was man in so einem Fall zu tun hätte, was man sagen müsste, wie man reagieren sollte. Nur sie selbst war einfach nicht geschaffen für so etwas. Menschen wie Frau Hartmann waren stolze bunte Pfauen, und Menschen wie sie selbst gehörten zu den Spatzen. Warum sollte ein Pfau auch auf einen Spatz hören? Einen gewöhnlichen, langweiligen Spatz, der sowieso nichts zu sagen hatte?

    Liz erwachte davon, dass etwas extrem lecker roch. Ein Geruch, der ganz und gar nichts mit Krankenhaus, Desinfektionsmittel oder Verbandsmaterial zu tun hatte. Es roch plötzlich nach Frühling, nach Vertrautheit und nach Imbissbude, es roch so, als ob sie an einem Frühlingsabend mit einer Freundin an der Pommesbude stünde und Spaß hätte. Sie schlug die Augen auf und sah ihre Schwester Natalie, die einen kleinen Frühlingsstrauß in der Hand hielt, der den Blumenduft verströmte. Und sie hatte ihr tatsächlich eine Tüte Pommes frites mitgebracht, die sie gerade zusammen mit den Blumen irgendwo abzulegen versuchte, damit sie ihre Schwester umarmen konnte. Liz spürte, wie es hinter ihren Augen stach, und wunderte sich, dass sie sich so darüber freute, ihre Schwester zu sehen, dass es ihr Tränen in die Augen trieb. Als Natalie sie umarmte und festhielt, dass es weh tat, denn sie konnte schließlich nicht ahnen, wo Liz überall Prellungen hatte, war auch deren Wange feucht. Als sie Liz endlich losließ, schnieften sie erst einmal beide kräftig in ein Taschentuch und lachten. Das Lachen schmerzte Liz fast noch mehr als die Umarmung, aber sie war so glücklich, Natalie zu sehen, dass es ihr gar nichts ausmachte.
    »Willst du auch mal?« Liz hielt ihrer Schwester die fettige Pommestüte hin, doch die schüttelte verneinend den Kopf.
    »Ich habe ja mit mir gekämpft, ob ich bei McDonald’s vorbeifahren und dort Pommes mit einem Hamburger holen soll, aber das habe ich nicht übers Herz gebracht. Diese Pommes hier sind wenigstens aus heimischen Kartoffeln. Bei dem Fleisch weiß man nie, woher es kommt und was da eigentlich verarbeitet wird. Und du brauchst schließlich gesundes Essen, um wieder auf die Beine zu kommen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und das hier«, sie deutete auf die Pommestüte, »das wird dir dabei nicht helfen.«
    »Ach Nati«, Liz seufzte, während sie sich selig ein frittiertes Kartoffelstäbchen nach dem anderen in den Mund schob. »Dafür werde ich dir ewig dankbar sein. Wenn du mal in dieser Lage sein solltest, was Gott verhüten möge, werde ich dir eigenhändig Saft aus Biokarotten auspressen und dir zuckerfreie Dinkelkekse backen!«
    »Nicht doch.« Natalie grinste.
    »Und was macht Mama?«
    »Sie leidet angemessen und war schon beim Arzt, um sich Herztropfen

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