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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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alle. Das steht in den Statuten.«
    Bernds Zornesader auf der Stirn schwoll.
    »Vielleicht können Sie auf lange Sicht das Trocken sein als Lernziel für alle Ihre Schützlinge ins Programm aufnehmen?« Ich schluckte. Wie sollte ich dieses Ringen um etwas Menschenwürde pädagogisch wertvoll verpacken? »Das ist doch sicherlich im Sinne aller Eltern und letztlich auch im Sinne des … ähm … Staates?«
    »Wir tun, was in den Statuten steht«, sagte die Erzieherin achselzuckend. »Und da steht: Windeln für alle.«
    Wir mussten es schlucken. Unsere Anja wird heute noch gewindelt. Sie ist inzwischen dreiunddreißig.
    W ir waren also wieder beide ganz normal berufstätig. Weil Bernd als Installateur arbeitete, reparierte er pri vat Kühlschränke, Waschmaschinen und Elektroherde, denn Ersatzteile gab es kaum, und Neuanschaffungen waren völlig undenkbar. So war der hilfsbereite, geschickte Herr Hädicke überall gern gesehen. Und da kam es auch schon mal vor, dass man ihm aus lauter Dankbarkeit ein gutes Trinkgeld zusteckte. Wichtiger waren aber seine guten Kontakte, über die wir so man ches für unser schwerbehindertes Kind bekamen, ohne den Behördenweg gehen zu müssen.
    Ich selbst arbeitete als Arbeitsökonomin und Betriebsorganisatorin in einem Ingenieurbüro für Brücken und Straßenwesen. Es war ein großes Unternehmen mit vielen Betriebsteilen. Der Stammsitz dieses »Kollektivs der sozialistischen Arbeit« befand sich in Ostberlin, direkt am Checkpoint Charlie. Wenn ich beruflich in die Hauptstadt musste und dort in der obersten Etage im Besprechungsraum saß, konnte ich direkt auf das Axel-Springer-Hochhaus schauen. Der Westen war greifbar nah. Aber obwohl mein Vater »rübergemacht« und dort ein neues Leben begonnen hatte, wäre ich nie auf die Idee gekommen, es ihm nachzutun. Niemals hätte ich mein kleines Mädchen einer gefährlichen Flucht, ja dem Risikio, elternlos zu werden und ins Heim zu kommen, ausgesetzt. Auch wenn Bernd mehr als einmal darüber nachgedacht hatte. Nein, wir hatten unserem Kind bei uns in Halle ein warmes Nest gebaut, und aus dem wollten wir es nicht herausreißen.
    Nach über zwei Jahren, in denen ich rund um die Uhr für Anja da gewesen war, genoss ich meinen Beruf sehr. Erstmals trug ich wieder meine figurbetonten knielangen Polyesterkostüme in Grau, Grüngrau und Blaugrau statt meine ausgeleierten Polyester trainingsanzüge in Spinatgrün, Verwaschengrün und Kinderkackebraun. Mein Büro befand sich in einer alten Villa, in einem romantischen Turmzimmer. Rapunzel wäre neidisch gewesen, zumal ich meine lan gen blonden Haare jetzt wieder offen trug! (Anja krall te sich gern in meine Mähne, weshalb ich zu Hause den praktischen Pferdeschwanz bevorzugte.) Je nach Stand der Sonne fiel das Licht von außen durch die kleinen bunten Butzenglasscheiben und verlieh meinem Zimmer ein ganz besonderes Flair. Die ausgetre tenen Treppenstufen zu meinem kleinen Reich unterm Dach knarrten so laut, dass ich immer vorgewarnt war, wenn mein Vorgesetzter nach oben kam.
    »Ah, Frau Hädicke! Wieder im Lande?!«
    Der Stellvertretende Direktor Heinz Heidemechels hatte sich extra zu mir herauf bemüht. Sein feistes Gesicht glänzte vor Schweiß. »Wie ich höre, haben Sie ein Sorgenkind zur Welt gebracht!«
    Ich reichte ihm freundlich distanziert die Hand, die er sogleich beherzt schüttelte. »Ihrem Aussehen hat das aber nicht geschadet.« Er musterte mich von oben herab, während er sich die Schweißperlen von der Oberlippe leckte. »Sie sind ja schlanker als je zuvor!«
    Was sollte ich darauf antworten? »Und Sie sind fetter, feister und verschwitzter als je zuvor?« Ich beschränkte mich auf ein schlichtes »Danke, Chef«.
    Heinz Heidemechels ließ seinen prallen Allerwertesten auf meiner Schreibtischkante nieder und blickte mich besorgt an: »Ja kann man als junge Mutti mit solchen Sorgen denn überhaupt vernünftig arbeiten?« Er legte zwei seiner Wurstfinger unter mein Kinn und schaute mir tief in die Augen. »Hat man unter diesen Umständen überhaupt den Kopf frei für die Belange unseres Betriebes, unseres sozialistischen Staates?«
    »So frei, wie es sich für unseren freien sozialistischen Staat geziemt, Herr Vorgesetzter.« Ruckartig wandte ich den Kopf ab.
    »Warum denn so heftig, junge Frau? Die Frage wird doch noch gestattet sein.«
    Heidemechels warf einen begehrlichen Blick in meinen Blusenausschnitt und auf meinen Rocksaum.
    Wütend sprang ich auf und strich mir den Rock über

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