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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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ich mich zuerst um die schmutzige Windel kümmern oder um den Dreck, den der Offizier hinterlassen hat? Oder kommt vorher die Foltergymnastik? Wir könnten das Fenster aufmachen, damit die Krallerin auch was davon hat.«
    Ich seufzte zufrieden und streckte alle viere von mir: »Das ist ganz allein Ihre Entscheidung, Gefreiter Hädicke. So wie alles in unserem Staat ganz allein unsere Entscheidung ist.«
    Drei Stunden später kam ein Telegramm. Ja. Ich hatte es gewusst. Der Mann hatte ein Herz und ließ meinen Bernd frei. Zugegeben, ich hatte ein ganz kleines bisschen mit ihm geflirtet. Oder sagen wir mal, meine langen blonden Haare ein bisschen öfter als nötig in meinen Ausschnitt fallen lassen. Er hatte ziemlich darauf gestarrt. Aber der Zweck heiligt die Mittel! Bestimmt stand in dem Text: »Liebe reizende Frau Hädicke, ab sofort ist Ihr Mann vom Wehrdienst befreit. Ihre Situation ist ja wirklich unterstützens wert, hochachtungsvoll, Obergenosse Kontrolleur. PS: Entschuldigen Sie bitte den Dreck, den ich hinterlassen habe. Sie bekommen von uns einen Staubsauger und eine Waschmaschine. Und für ein Jahr lang Lenor, das Westwaschmittel mit dem guten Gewissen.«
    Doch an Bernds versteinerter Miene und seinen gezischten Flüchen merkte ich, dass das Gegenteil darin stand.
    »Befehl zur sofortigen Rückkehr in die Kaserne. Spätestens drei Stunden nach Erhalt dieses Schreibens hat der Genosse Hädicke seinen Militärdienst wieder aufzunehmen. Ein Disziplinarverfahren wegen Vortäuschung einer familiären Notlage, Simulierens einer Krankheit und fälschlicher Behauptung, das Kind sei behindert, ist anhängig.«
    Verzweiflung ergriff von mir Besitz. Ich heulte und schluchzte so laut, dass Frau Kraller von unten mit dem Besen gegen die Wasserrohre hämmerte. »Bernd!«, schrie ich, »was wollen die uns denn noch antun? Erst die Geburt, bei der sie mich fast haben verrecken lassen. Dann die völlige Ungewissheit, was mit Anja ist. Anschließend das Leugnen und Blöd-Stellen, was ihre Behinderung und die Therapie angeht. Und zu allem Überfluss deine Einberufung: Tausend Steine haben sie uns in den Weg gelegt, und jetzt wollen sie dich auch noch in den Bunker stecken?« Ich heulte und drosch mit den wie Feuer brennenden Händen auf das Sofakissen ein. »Diese Schweine! Diese widerlichen Schweine! Ich hasse sie! Ich hasse diesen Staat! Ich will hier raus!«
    Unsere Anja brüllte gleich mit. Sie war zu Tode erschrocken. Noch nie hatte sie ihre sonst so sanfte Mutter so brüllen hören.
    Frau Kraller hörte auf zu klopfen. Das akustische Festmahl wollte sie sich nicht entgehen lassen. Wer weiß, welch schmuckem Offizier sie Meldung machen konnte?
    Bernd packte sanft, aber bestimmt meine Handgelenke. »Pssst! Willst du auch noch in den Knast kommen? Willst du, dass sie dir Anja wegnehmen?« In seinen Augen loderte Zorn. »Wir müssen uns zusammenreißen! Für Anja!« Er schüttelte mich an den Schultern und sah mich eindringlich an. »Wir haben uns geschworen, dass wir Anja niemals im Stich lassen werden. Dass wir ihr das Leben lebenswert machen werden. Hast du das vergessen?«
    Sofort unterdrückte ich weitere Schreiattacken und biss mir auf die Zunge.
    »Nein! Entschuldige! Ich werde mich nie wieder so gehen lassen!«
    Bernd packte seinen Militärrucksack: »Wenn ich renne, bekomme ich noch den Sechzehner-Bus.« Er drückte mir eilig einen Kuss auf die Stirn: »Bleib stark, Angela. Die kriegen uns nicht klein.«
    Mit geschlossenen Augen lehnte ich kraftlos an der Wohnungstür und lauschte seinen hastigen Schrit ten auf der Treppe. Die schleimigen Worte Frau Krallers tropften wie klebriger Honig zu mir herein: »Na, Herr Hädicke? Kurzer Familienausflug schon wieder beendet? Na ja, für unseren Staat tun wir doch alles, nicht wahr?« Ihre Wohnungstür wurde mit einem Klicken ins Schloss gezogen, das mir in den Ohren wehtat.
    Ich konnte meinen armen Bernd doch jetzt nicht ins Militärgefängnis wandern lassen! Meinen ehrlichen, hilfsbereiten Mann, der sich für sein kleines, behindertes Kind einsetzte, wie manche Väter es nicht mal für ein gesundes tun! Dabei war mein Bernd Anfang zwanzig! Seine Altersgenossen gingen jeden Abend in die Kneipe oder auf den Fußballplatz, oder aber sie rissen Mädels auf!
    Doch leider musste das Rütteln am Gitter seiner Kaserne ausfallen. Mit meinen Händen hätte ich ohnehin nicht viel ausrichten können. Aber ich konnte einen gottverdammten Griffel halten und einen klaren, deutlichen

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