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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lind
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Die Polizistin wusste doch genau, dass ich ein schwerbehindertes Kind zu Hause hatte, das auf mich angewiesen war! Sie konnte mich doch jetzt nicht einfach hier drin … Ich rang die Hände. Honecker, hilf! Mein Blick glitt zu unserem Staatsoberhaupt an der Wand. Wenn sie mich einbuchteten, würde Anja ins Heim kommen. Dann wäre alles aus. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht. Ich trage sie auch zu Fuß von Halle nach Leipzig und zurück!
    Da stürmte die uniformierte Beamtin wieder herein. Zum Glück hatte sie keine Handschellen dabei. Ich atmete erleichtert auf. »Und? Haben Sie mit Ihrem Vorgesetzten …«
    »Ja. Und er hat Nein gesagt. NÄCHSTER !«
    Die Panik saß mir noch tief in den Knochen. Sie hatte mich kleingekriegt! Dankbar, wieder auf freiem Fuß zu sein, verließ ich grußlos und kleinlaut die Stätte der Staatsgewalt. Als ich eine Woche später einen Brief von der deutschen Volkspolizei im Briefkasten fand, schlotterten mir die Knie. Das war sicher eine Strafanzeige wegen Beamtenbeleidigung! Also doch Zuchthaus? Einzelhaft? Dunkelhaft? Anja würde zwangseingewiesen? O Gott, mir war so schlecht! Mit zitternden Fingern holte ich einen amtlichen Schrieb aus dem Umschlag. Ängstlich kniff ich die Augen zusammen und zählte bis zehn. Dann machte ich sie mutig wieder auf.
    Was ich in den Händen hielt, war eine zweite Sondergenehmigung.
    Doch woher dieser Sinneswandel? Wahrscheinlich hatte der Vorgesetzte der Polizistin mir schon damals die Genehmigung erteilt. Das hatte sie jedoch nicht zugeben wollen, um sich nicht vor mir zu blamieren. Und so war ich wie ein Verbrecher davongekrochen, während sie die Siegerin gemimt hatte. Doch die Erleichterung über die Sondergenehmigung wog schwerer als jede Bitterkeit.
    E ine Förderung für Anja war in ihrer Tageseinrichtung nicht vorgesehen. Sie galt als nicht therapierbar. Doch weil Bernd und ich wussten, wie glücklich sie auf Musik reagierte, beantragten wir wenigstens eine Musik-Therapie. Immer wenn Anja Töne hörte, schwenkte sie begeistert die Arme und strampelte mit den Beinen, als wollte sie tanzen. Ihr oft verkrampftes Gesicht nahm einen weichen Ausdruck an, und in ihren Augen lag ein seliges Schimmern. Bernd und ich hatten uns geschworen, Anja eine lebenswerte Existenz zu bieten, und wir scheuten weder Kosten noch Mühen, dieses Versprechen zu halten.
    Für die Genehmigung einer Musik-Therapie brauchte man allerdings einen Hörtest. Dieser wurde in der Universitätsklinik durchgeführt. Ich nahm mir extra einen Tag frei, um zum »Otorhinolaryngologen«, sprich zum Hals-Nasen-Ohrenarzt zu gehen. Im Wartezimmer schälte ich Anja aus Anorak und Mütze und ließ mich auf eine hölzerne Wartebank fallen. Be fremdete Blicke der Umsitzenden. Warum gurgelt und schreit das Kind so? Alkohol in der Schwangerschaft wahrscheinlich, das sieht ja ein Blinder.
    Ich ließ das alles an mir abprallen. Als wir endlich an der Reihe waren, sagte ich: »Wir sind zum Hörtest angemeldet.«
    Das Übliche folgte, Name, warum …, aber schließlich gelang es mir, zu Professor Mohr vorzudringen, eine Koryphäe auf seinem Gebiet.
    »Der Hörtest wird in einem anderen Gebäude durchgeführt«, informierte mich der gelehrte Mann freundlich. »Da gehen Sie einmal quer über das Gelände … Anschließend kommen Sie mit den Unterlagen wieder zu mir.«
    Ich zog also wieder von dannen, fand das entsprechende Gebäude und reihte mich in eine neue Warteschlange ein.
    Doch die freundliche Ärztin erwartete uns bereits. Ja, sie winkte uns sogar an den üblichen Gaffern im Wartezimmer vorbei! Wie nett, wie ungewohnt! Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln.
    »Na, dann setzen Sie Ihre kleine Anja mal auf Ihren Schoß!«, forderte mich Frau Doktor Glaser auf. »Ich nähere mich dann von hinten und mache ver schiedene Geräusche, anschließend sagt mir Ihr Kind, was es hört: eine Lokomotive, tsch tsch tsch, ein Flugzeug, brummmmm, die Feuerwehr, tatüüü tataaaa, oder sogar eine Flöte? Ja? Ist das fein?«
    »Im Prinzip schon«, antwortete ich erschöpft, wäh rend sich mein dankbares Lächeln bereits verflüchtigte. »Aber meine Anja kann sich nicht verbal artikulieren.«
    »Na, dann werden wir einfach mal schauen, wie sie reagiert.«
    Die Ärztin hielt eine Triangel an Anjas Ohr und machte »ping!«.
    Anja gebärdete sich wie toll. Sie sprang mir fast vom Schoß vor lauter Freude, riss den Mund auf und jauchzte.
    »Sie hört es!«, sagte ich.
    »Ja, das

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