Wenn nur noch Asche bleibt
nächsten kam. Seliges Nichts. Süße Schwerelosigkeit. Aber er konnte nicht. Nicht, solange Durat es auf sie beide abgesehen hatte. Mit einem Fluch auf den Lippen sprang er vom Felsen und lief zurück, spürte, wie der Sturm an ihm zerrte und ihn mitreißen wollte, hinauf in seinen Mahlstrom aus Schwärze und Kälte. Zu gern hätte er sich ihm hingegeben.
Oben im Dojo brannte das Feuer. Jemand war dort, vermutlich Jethro und Nikolai. War heute Unterricht? Nein, erst übermorgen. Also was zum Teufel suchten die Jungs hier? Ihm stand der Sinn nicht nach Gesellschaft. Es sei denn, es handelte sich um Elena.
Wütend knallte er die Tür hinter sich zu, schwenkte nach rechts und wappnete sich für eine möglichst herzlose, gnadenlose Abfuhr. Im Trainingsraum hockte Nikolai vor der Messingschale, nur bekleidet mit einer schwarzen Hose, und drückte die Klinge seines Schwertes gegen die Stirn. Flammenschein kroch über seinen schweißglänzenden Oberkörper, dessen hauchfeines Beben ein soeben beendetes, kräftezehrendes Training verriet.
Daniel zögerte. Etwas stimmte mit dem Jungen nicht. Als sein Schüler den Kopf wandte und ihn anblickte, erkannte er etwas in seinen Augen, das ihm niederschmetternd vertraut erschien.
Wut, Verzweiflung – und der fatalistische Wille, beides ungehemmt herauszulassen. Nun gut, sollte er bekommen, was er wollte.
Wortlos zog Daniel Hemd und Unterhemd aus, ließ Schuhe, Socken, Armbanduhr und Gürtel folgen, betrat den Raum nach der Verbeugung und ging zur Waffenwand hinüber. Er zog ein Schwert hervor, wandte sich zu Nikolai um und lächelte.
„Ich bin nicht zu Übungen aufgelegt“, sagte er. „Wenn du jetzt kämpfen willst, nehme ich keine Rücksicht.“
Nikolais Augen funkelten. „Nichts anderes will ich“, schnurrte er mit einem seltsamen Unterton. „Lass raus, was immer raus will. Ich bin bereit.“
Der Junge griff an, ohne die Etikette zu wahren. Irgendetwas war anders, denn seine Bewegungen waren fließender als sonst. Schneller, entschlossener, perfekter. Daniel stolperte unter dem Ansturm einen Schritt zurück, was nie zuvor geschehen war, parierte den Schlag jedoch mühelos. Seine Klinge berührte Nikolais Schulter und ritzte den Stoff des Kampfanzuges.
„Kote!“
Der Junge bleckte die Zähne und wirbelte herum. Sirrend zerschnitt sein Schwert die Luft, sauste auf Daniels Hals nieder und wurde mit einer blitzschnellen Bewegung abgeblockt.
„Aus der Hüfte heraus schlagen“, knurrte er. „Nicht mit den Armen.“
Nikolai vollführte einen Schlag über die Schulter mit weit ausholender Drehbewegung. Die Kraft dahinter warf Daniel zurück, doch er leitete die Energie augenblicklich um und nutzte sie für einen Gegenangriff. Er vollführte einen Do-Uchi, einen Schlag auf die rechte Bauchseite, den Nikolai nicht rechtzeitig parierte. Ein zweites Mal riss der Stoff und färbte sich rot, als die Schwertklinge eine flache Wunde hinterließ.
Daniel spürte ein grimmiges Lächeln auf den Lippen. Heiß rauschte das Blut durch seine Adern und stieg ihm zu Kopf. Nikolais wilde Entschlossenheit war genau das, was er brauchte … ein wilder, hemmungsloser Kampf, in dem beide Gegner gewillt waren, Blut fließen zu lassen.
Die Zeit löste sich auf, während sie aufeinander einschlugen. Das Klirren, Sirren und Zischen der Schwerter erfüllte die Stille des Dojos, begleitet von wüsten Kampfschreien, schweren Atemstößen und dem Geräusch nackter Füße auf poliertem Eichenparkett. Sie kämpften sich in einen Rausch. Daniel spürte eine Energie in sich aufsteigen, die jeder Beschreibung spottete, es erforderte all seine Disziplin, sie nicht ungehemmt freizulassen. Vielleicht hätte er Nikolai getötet. Vielleicht hätte er den Boden seines Dojos mit Blut getränkt. Doch auch sein Schüler ging mit ungewohnter Aggression auf ihn los, als nähme er in Kauf, diesen Kampf nicht zu überleben.
Wie ein grimmiger Tänzer umkreiste er ihn, wirbelte umher, drehte sich und sprang oder wich mit ungewohntem Geschick den Schlägen aus.
Als Nikolai zu einem Jôgeburi ansetzte, einem weit ausgeholten Schlag, der bis auf Kniehöhe durchgezogen wurde, wich Daniel in voller Absicht nicht weit genug zurück und spürte, wie die Klinge über seinen Rücken glitt.
Er hoffte, Schmerz zu fühlen, doch dem war nicht so. Adrenalin jagte durch seinen Körper und machte ihn unempfindlich, lediglich ein leichtes Brennen durchzog seine Nervenbahnen. Daniel ging in die Kamae, wütender als zuvor und
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