Wenn nur noch Asche bleibt
umgezogen und war nun ganz in Schwarz gekleidet. Das Hemd aus fließender, dünner Baumwolle schmiegte sich an seinen Oberkörper, seine silbernen Knöpfe blitzten ebenso rein wie die Klinge der Waffe. Als er zu dem Baldachinsofa hinüberging, schnurrten seine Bewegungen vor Anmut. Doch die Müdigkeit, die ihn wie eine schwere, warme Aura umgab, war unübersehbar.
„Wann?“, wisperte Elena.
„Sobald ich das Arschloch getötet habe. Aber keine Sorge, ich wollte dich fragen, ob du mit mir kommen möchtest.“
Die Erleichterung ließ sie laut aufstöhnen. Daniel warf ihr ein Zwinkern zu und ließ sich in die Polster fallen. Das Schwert lag neben ihm, unschuldig und tödlich. Eine solche Erschöpfung umgab diesen Mann, dass sie nicht umhinkonnte, als ihren weiblichen Instinkten nachzugeben. Behüten, trösten und Kraft schenken.
„Lass es zu.“ Sie raunte die Worte leise und sanft. Behutsam ließ sie sich neben Daniel nieder, umfing seine Schultern und zog ihn zu sich. Seine matte Willigkeit besaß etwas Kindliches, etwas, das nicht zu ihm passen wollte und doch unerhört verführerisch war. Sich selbst und ihr eingestehend, wie schwach er war, ließ er seinen Kopf in ihren Schoß sinken, streckte sich aus und schloss die Augen.
„Natürlich will ich mit dir kommen. Aber wie finanzieren wir unser Leben, wenn wir keinen Job mehr haben?“
„Im Kloster brauchen wir kein Geld. Könnte nur sein, dass dir irgendwann langweilig wird. Gott, ich bin so müde.“
Daniel öffnete die Augen nicht. Sich ihr vollkommen ausliefernd, ruhte er in ihrem Schoß, ließ zu, dass sie ihm wie einem Kind das Haar streichelte, und wandte sich selbst dann nicht ab, als eine einzelne Träne über seine Wange lief. „Ich will gehen. Ich will einfach nur meine Ruhe. Bin ich deshalb schwach? Oder feige?“
„Nein.“ Sie beugte sich über ihn und küsste seine Stirn. Ihre Lippen strichen über warme Haut, dann über verschwitztes Haar. Der Stoff seiner Kleidung war feucht, seine Muskeln zitterten. Offenbar hatte er, ehe er gestört worden war, bis zur Erschöpfung trainiert. „Schlaf ein wenig. Ich passe auf.“
„Ich darf nicht schlafen.“
Jetzt hoben sich seine Lider. Elena fühlte ein warmes Prickeln in ihrem Inneren, das sich wie ein flüchtiger Schleier über ihre Verzweiflung legte. Er besaß die Augen eines Wüstensohnes. Eines Prinzen aus einem orientalischen Märchen. Sie wollte niemals ohne diesen Anblick leben. „Wenn ich schlafe, spüre ich ihn nicht kommen.“
„Nikolai?“
„Nein. Ich meine Durat. Alles, was er noch braucht und will, ist meine Seele.“
Elena seufzte. Sie wollte nicht daran denken. Sie wollte naiv sein und alles ausklammern. „Dein Schüler ist entwischt. Smith hat mich vorhin angerufen. Deswegen kreuzten auch Coburn und Savedra hier auf.“
„Warum wundert mich das nicht?“, murmelte er.
„Was macht der Stich?“
Wortlos griff Daniel nach seinem Hemd und zog es hoch. Elena stieß einen Laut der Verblüffung aus. Nur noch eine blasse Narbe war von der hässlichen Wunde zu sehen. Scheinbar Jahre alt.
„Wow.“
Er grinste. „Wusstest du, dass die Mönche das Shaolin-Kung Fu ursprünglich erfanden, um den Kristall zu beschützen?“
„Nein. Aber ich habe mich immer gewundert, warum so sanftmütige Menschen die effektivste Kampfkunst der Welt erfunden haben.“
„Man sollte den Brunnen eben graben, bevor man Durst hat.“
Daniel umfasste ihre Hand und drückte sie sanft. Seine Müdigkeit war beinahe körperlich zu spüren.
„Schlaf“, flüsterte sie. „Ruh dich aus.“
„Ich kann nicht. Sie könnten jederzeit kommen. Ich muss … Elena, halt mich wach. Tu irgendwas.“
„Schlaf“, wiederholte sie. „Ich passe auf dich auf.“
„Nein …“
Er sprach das Wort mit letzter Kraft. Dann schlief er ein. Sein Gesicht entspannte sich, sein Körper erschlaffte, warm, weich und köstlich in ihren Armen. Zärtlichkeit erfüllte sie und jagte alle Angst beiseite. Ein schützender Kokon hüllte sie ein, trügerisch und flüchtig, doch sie sehnte sich so sehr nach der Sanftheit dieses Schutzes, dass sie sich darin fallen ließ. Behutsam streichelte sie Daniels Haar, beobachtete das Farbenspiel aus Braun, Kupfer und Karamell und fragte sich, wo ihre Zweisamkeit enden würde. Wie man es ihr beigebracht hatte, achtete ein Teil ihres Geistes auf die Umgebung, programmiert von Konditionierung und Instinkt. Die Stille war so vollkommen, dass sie in ihren Ohren sang. Es duftete nach
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