Wenn nur noch Asche bleibt
Kopf. „Nichts lieber als das. Aber ich weiß ja, dass du mich nicht lässt.“
„Nur deiner eigenen Gesundheit zuliebe.“ Daniel schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Am Ende erliegst du einem Herzkapser und ich muss dich wiederbeleben.“
„Mit Mund-zu-Mund-Beatmung? Ich wette, darin bist du erste Sahne.“
„Leg es besser nicht drauf an, Becca. Und was die Prellungen betrifft, mach dir keinen Kopf. Ein bisschen Konzentration und meine körpereigenen Heilungskräfte nehmen sich der Sache an.“
Sie nickte gewichtig. „Ach ja. Ich vergaß, dass man dir da drüben in China all diese übernatürlichen Tricks beigebracht hat.“
„Es ist nichts Übernatürliches. Jeder besitzt Selbstheilungskräfte. Nur habe ich gelernt, sie zu kontrollieren.“
„Na egal, jetzt besorge ich uns erstmal was, um unsere Seelen zu wärmen.“ Rebecca verschwand nach unten in die Küche und kehrte fünf Minuten später mit zwei Tassen dampfendem Tee zurück, die die Ausmaße von Rührschüsseln besaßen. „Eine meiner Spezialitäten“, verkündete sie. „Original aztekisches Rezept, verfeinert mit einem Schuss Rum.“
„Rum?“ Daniel runzelte argwöhnisch die Stirn. „Du weißt doch, dass ich Alkohol nicht vertrage.“
„Es ist nur ein Schuss. Nein, eher ein Schüsschen.“ Sie quetschte die Spitze ihres Zeigefingers und Daumens zusammen. „So wenig.“
„Also gut, von mir aus.“
Er nahm die Tasse entgegen, versank in den weichen, dunkelgrünen Polstern und nippte am Tee. Das Zeug schmeckte köstlich, doch der intensive Geschmack nach Rum ließ ihn an Rebeccas Beteuerung, nur einen winzigen Schuss zugefügt zu haben, zweifeln. Genüsslich forschte er nach den unterschiedlichen Geschmacksnuancen des Gebräus. Zimt, Nelken, Pfeffer, Kardamom, Kakao, ein Hauch Chili und natürlich Rum.
Rebecca gähnte hemmungslos, was Daniel an eine Eierschlange erinnerte, die zur Aufnahme ihrer Nahrung den Unterkiefer ausrenkt. Schlafwandlerisch schaltete sie die Musikanlage ein, nahm sich eine der bunt karierten Decken und versank in ihrem Ohrenbackensessel. Klaviermusik tropfte in die Stille der Nacht. Daniel starrte ins Leere, während er seinen Tee trank. Obwohl er mit aller Kraft versuchte, munter zu bleiben, zog eine bleierne Schwere an seiner Wahrnehmung.
Etwas stimmt hier nicht
, flüsterte die Stimme in seinem Kopf.
Sei vorsichtig
.
„Bin ich“, murmelte er. „Mach dir keine Sorgen.“
„Was hast du gesagt?“, fragte Rebecca.
„Nichts. Ich rede nur mit mir selbst.“
Sich zur Selbstdisziplin ermahnend, streckte er sich und lauschte auf seine Umgebung. Das Haus war still. Seine Instinkte vermittelten ihm keine Gefahr, doch er wusste, dass er sich auf solche Ahnungen nicht hundertprozentig verlassen konnte. War er müde und abgelenkt, arbeitete sein sechster Sinn nicht gerade verlässlich, und momentan konnte er seinen Zustand nur in eine Kategorie einordnen: in höchstem Maße abgelenkt. Immer wieder kreisten seine Gedanken um Elena. Offenbar war das frühere Leben nicht gänzlich aus ihr getilgt worden. Ihr wiederkehrender Traum passte perfekt zu Moa’ris Geschichte.
Niemals wieder würde er mit ihr Hand in Hand vor den unliebsamen Feierlichkeiten flüchten, um auf moosbewachsenen Ästen zu liegen und dem Lied des Waldes zuzuhören
.
Ob er dabei war, sich in diese Frau zu verlieben? Es schien ganz so. Die Gefühle, die in ihm heranwuchsen, musste er irgendwie unter Kontrolle bringen. Einen weiteren Verlust würde er nicht verkraften. Elena war seine rein platonische Partnerin. Nichts weiter. Und das musste auch so bleiben.
Als er die leere Teetasse auf den Glastisch stellte, gesellte sich Rebecca zu ihm. Zu müde, um sich groß Gedanken darüber machen, legte er die Arme um seine Freundin und zog sie an sich. Er musste wach bleiben. Unbedingt. Daniel blinzelte den Schleier von den Augen und warf einen Blick auf seine Waffe. Sie vermittelte Sicherheit, doch wenn er einschlief, würde sie ihm nichts nützen. Ebenso wenig wie seine scharfen Sinne, die ihm Eindringlinge allein durch deren Herzschlag verraten hätten. Oder es zumindest sollten. Momentan fühlten sich seine Ohren eher an, als wären sie mit Watte verstopft worden.
Verdammt, wo war seine Selbstdisziplin?
Rebecca schmiegte ihren Kopf an seine Brust, ihr genüssliches Seufzen erinnerte an eine schnurrende Katze. Er hörte eine Weile ihrem Atem zu, der ruhiger und schwerer wurde, ließ sich unfreiwilligerweise davon einlullen und kämpfte gegen die
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