Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
sie den Menschen nicht, der nun aus ihnen geworden ist.
Zwei Ursachen für Panik
Ich möchte noch einmal zu meinem Ausgangspunkt zurückkehren – es gibt eine ganze Welt unsichtbarer Verknüpfungen, derer sich die Patienten kaum bewusst sind. Meist erkennen sie nicht, dass ihre erste Panikattacke durch belastende Ereignisse in ihrem Leben ausgelöst wurde – durch Sorgen oder Schwierigkeiten, die schon Monate vor der ersten Attacke begonnen hatten. In den Tagen vor der ersten Attacke war vielleicht die Widerstandskraft des Betroffenen herabgesetzt; möglicherweise wurde die Panikattacke auch durch eine Periode der Entspannung vorbereitet oder durch ein »Trigger«-Ereignis ausgelöst.
Meist bringt der Patient die Panikattacke nicht mit den Hintergrundursachen in Verbindung, sondern erklärt sie sich anders: Er vermutet einen Herzanfall, einen Nervenzusammenbruch oder einen Gehirntumor.
Das letzte Glied der Kette ist dann, dass der Betreffende Angst vor den Symptomen bekommt und gerade dadurch Panikreaktionen ausgelöst werden; diese Kettenreaktion beginnt dann immer wieder von vorn, oft über viele Jahre hinweg.
Somit gibt es zwei Hauptgründe für Panikattacken:
– die ursprüngliche(n) Hintergrundursache(n), die die ersten Panikattacken auslösen;
– nach den ersten Attacken dann die Angst vor weiteren Attacken .
Diese beiden Faktoren müssen bei der Therapie berücksichtigt werden, wie wir im nächsten Kapitel sehen werden.
10. Die Hintergrundursachen behandeln
Ich habe am Department of Psychology in Aberdeen einen Kollegen, der sich bei der Behandlung von Panikpatienten immer zuerst mit der Angst vor den Paniksymptomen beschäftigt. Auf die emotionalen Hintergrundursachen geht er erst im weiteren Verlauf der Therapie ein. Ich arbeite meist in umgekehrter Reihenfolge. Wir sind beide davon überzeugt, dass der andere es verkehrt macht! Dabei haben wir beide keinerlei Beweis dafür, dass der eine Weg besser ist als der andere, aber da Sie nun mal an mich geraten sind, wollen wir uns zuerst mit den Hintergrundursachen beschäftigen.
Im letzten Kapitel habe ich herausgearbeitet, dass es zweierlei Ursachen für Panikattacken gibt. Wir müssen daher für zwei verschiedene Patientengruppen therapeutische Hilfe anbieten:
– für diejenigen, denen es nicht gelungen ist, das emotionale Problem zu lösen, das ihre Panikattacken ursprünglich verursacht hat, und die gleichzeitig mit der Angst vor weiteren Attacken zu kämpfen haben. Diese Personen brauchen in doppelter Hinsicht Hilfe – sie müssen lernen, das ursprüngliche Problem zu erkennen und zu bewältigen und gleichzeitig ihre »Angst vor der Angst« nach und nach zu überwinden;
– für diejenigen, die das zu Grunde liegende Problem längst gelöst oder überwunden haben (z.B. den Tod eines Elternteils), und nun nur noch mit der Angst vor weiteren Panikattacken zu kämpfen haben. »Nur« ist hier natürlich nicht das richtige Wort, denn die »Angst vor der Angst« kann so quälend sein, dass sie das Leben der Betroffenen regelrecht zerstört. Die Angst vor Panikgefühlen kann diese wieder und wieder aufleben lassen, auch wenn der ursprüngliche Grund längst nicht mehr existiert. In diesem zweiten Fall brauchen wir uns mit den Hintergrundursachen überhaupt nicht zu beschäftigen.
Ein Betroffener sollte sich jedoch nicht zu Annahmen verleitenlassen wie: »Es ist fünf Jahre her, dass mein Mann gestorben ist, also muss ich inzwischen darüber hinweg sein.« Wenn jemand das schmerzliche Ereignis, das die Panikattacken ursprünglich ausgelöst hat, nicht wirklich verarbeitet hat (durch Trauer, Gespräche usw.), sondern es nur verdrängt hat, dann ist es immer noch da. Es ist unter der Oberfläche vergraben wie eine Tretmine, die jederzeit detonieren kann. Die Zeit allein ist kein Maßstab dafür, ob das Problem bewältigt wurde oder nicht.
Können Betroffene erkennen, zu welcher der beiden Gruppen sie gehören?
Für die Beantwortung dieser Frage kann ich nur ein – vorsichtig anzuwendendes – Kriterium nennen: Wenn der Betroffene erst seit kurzer Zeit unter Panikattacken leidet, kann man davon ausgehen, dass die Ursachen noch wirksam sind. Wenn die Panikattacken jedoch schon vor Jahren angefangen haben, dann können die eigentlichen Ursachen im Laufe der Zeit in den Hintergrund getreten und bedeutungslos geworden sein – sie können, aber sie müssen nicht. Ich würde Ihnen in jedem Fall empfehlen, die Schritte zu gehen, die
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