Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft
sagte Gaylord eigensinnig.
Paps schenkte ihm ein freundliches, dankbares Lächeln. Gaylord war hocherfreut. Erst Mummi und jetzt Paps. Er konnte sich nicht erinnern, daß ihn beide Eltern zu gleicher Zeit jemals mit solch uneingeschränktem Wohlwollen behandelt hatten.
«Nun, bis ihr euch entschlossen habt, werde ich mein Gesicht herrichten. Ich sehe bestimmt schrecklich aus.»
Im Gegenteil, sie sieht ganz besonders entzückend aus, dachte Jocelyn unvorsichtig. Er war stark versucht, eine tröstend väterliche Hand um ihre schmale Taille zu legen. Nur die Furcht vor den Folgen ließ ihn der Verlockung widerstehen. Vermutlich ist es häufig bloß Feigheit, wenn Leute tugendhaft leben, und nicht etwa moralische Stärke, dachte er.
Jenny hatte ihm ausreichend Zeit gelassen, ihr zu versichern, sie sähe nicht schrecklich aus, oder ihr den Arm um die Taille zu legen. Als nichts dergleichen geschah, zog sie sich resigniert in die Dünen zurück. Gaylord schaufelte ein bißchen im Sand herum und fragte: «Warum hat Jenny geheult?» Er fand die Gefühlsverwirrungen von Erwachsenen merkwürdig faszinierend.
«Sie glaubt, deine Mutter sei böse mit ihr.»
«Mummi war heute mit allen böse. Nur mit mir nicht», sagte Gaylord selbstgefällig. Er schaufelte weiter im Sand. «Warum war Mummi denn wütend auf Jenny?» fragte er.
«Ich weiß es nicht», antwortete Paps.
Gaylord fing an, eine Burg zu bauen. «Emma sagt, Jenny ist in dich verliebt. Aber das geht doch nicht, Paps, oder? Du bist doch verheiratet.»
«Nein», sagte Paps. «Das geht nicht. Ich bin verheiratet.»
«Emma weiß wohl nicht, daß Damen sich nicht in die Männer von anderen Damen verlieben können», meinte Gaylord.
«So, weiß sie das nicht?»
«Außerdem bist du alt.» Gaylord rundete das Thema so sorgfältig ab wie seine Sandburg. «Du bist viel zu alt, als daß jemand sich in dich verlieben könnte, nicht wahr, Paps?»
«Viel zu alt», sagte Paps.
Gaylord beklopfte seine Sandburg mit stolzer Miene. Jenny erschien wieder, frisch gepudert und gefaßt. «Ach, da bist du ja», sagte Jocelyn munter, obwohl ihm gar nicht so zumute war. «Ich denke, jetzt gehen wir erst mal zum Bahnhof und erkundigen uns nach den Zügen.»
Gaylord wollte sich weltmännisch geben. «Ist Emma nicht dumm, daß sie meint, du seist in Paps verliebt?» sagte er zu Jenny gewandt.
Jenny sah Jocelyn verzweifelt an, dann senkte sie die Augen und errötete heftig. Gaylord dachte, sie würde gleich wieder heulen. Sehr interessant. Diesmal konnte es nicht daran liegen, daß Mummi mit ihr böse war.
Jenny sagte: «Emma ist wirklich ein sehr dummes kleines Mädchen.»
Da konnte Gaylord ihr nur recht geben. «Sie weiß nicht, daß Damen...»
Paps fiel ihm eilig ins Wort. «Ich denke, wir haben das Thema ausgiebig genug erörtert, Gaylord. Wollen wir jetzt zum Bahnhof gehen?»
Sie setzten sich in Marsch. «Es tut mir leid», flüsterte sie.
«Warum denn in aller Welt?» flüsterte er zurück. «Gegen Gaylord ist kein Kraut gewachsen.»
Sie gingen ein paar Schritte. «Ich meine... weil es doch nun einmal wahr ist», stammelte sie.
«Jenny! Rede doch nicht solch einen verdammten Blödsinn», sagte er streng. Jenny brach in Tränen aus.
Gaylord stapfte zwischen den beiden durch den Sand. Er war wütend. Erwachsene verbrachten den größten Teil ihres Lebens damit, in tierischem Ernst über Dinge von nahezu unfaßlicher Langeweile zu diskutieren. Doch wenn sie - was wahrscheinlich selten genug vorkam - einmal wirklich etwas Interessantes zu sagen hatten, Dinge, die Gaylord zweifellos entzückt hätten, dann flüsterten sie. Erwachsene hatten ja weiß Gott eine Menge irritierender Angewohnheiten, aber das war eine Untugend, die ihn am meisten ärgerte. Ganz abgesehen davon, daß er ihnen, würden sie ihn ins Vertrauen ziehen, höchstwahrscheinlich eine große Hilfe sein konnte.
Der Gedanke, daß er womöglich nie erfahren würde, was nun wieder zu diesem sehr aufregenden Gefühlsausbruch geführt hatte, war ihm schier unerträglich. Aber er wußte aus bitterer Erfahrung, daß es nicht ratsam war, Fragen zu stellen. Sie würden ihm nur über den Mund fahren.
Sie fingen Emma vor dem Kino ab. «Ich fand, es war kitschig, aber die anderen haben geheult und geheult», sagte Emma. Sie musterte ihre Schwester. «Warum hat Jenny denn geheult?»
«Erst war Mummi wütend auf sie», sagte Gaylord. «Und dann Paps.»
«Warum?»
«Weiß ich nicht. Sie haben geflüstert», sagte Gaylord
Weitere Kostenlose Bücher