Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
Haare brauchte sie sich nicht zu kümmern: Sie würde im Atelier geschminkt und frisiert werden.
»Wenn ich ein paar Tage Pause machen könnte, bräuchte ich keine Tabletten, die mich wach machen, und noch mehr, damit ich schlafen kann«, bemerkte sie wehmütig, während sie ihre Haare frottierte. »Lass mich doch für ein paar Tage zu Ellen fahren.«
Mark saß auf dem einzigen Stuhl, den sie besaß, und betrachtete sie abschätzig. Sie kannte diesen Blick, und manchmal hatte sie das Gefühl, er hasste sie. Sie verstand nur nicht, warum. Schließlich verdiente er mit ihr das Geld für die braune Lederjacke und die Schlangenlederstiefel.
»Wie blöd bist du eigentlich? Man muss Heu machen, solange die Sonne scheint. Irgendwann werden sie sich nicht mehr um dich reißen, und dann hast du Zeit genug zum Ausruhen.«
In ihren Augen brannten Tränen. Manchmal wünschte sie, sie wäre ihm nie begegnet. Ja, es gab Zeiten, da wünschte sie sogar, sie wäre in Cornwall geblieben. Es war schrecklich aufregend, das eigene Gesicht auf Reklametafeln, in jeder Illustrierten und jeder Zeitung zu sehen, auf der Straße erkannt zu werden. Doch nichts weiter als eine Marionette zu sein und Tag für Tag schikaniert zu werden, war alles andere als lustig.
Seit über zwei Jahren ging das nun schon so, und was hatte es ihr gebracht? Sie war siebzehn und ein Star, aber sie hauste noch immer in derselben kahlen Wohnung, hatte einen Schrank voll Kleider und keine Gelegenheit, sie anzuziehen, und ihre Eltern hatten sie verstoßen.
Sie hatte niemanden mehr außer Ellen. Mark sagte ihr nur, er liebe sie, wenn er etwas von ihr wollte.
»Lass endlich die Haare, die trocknen im Auto«, fuhr er sie ungeduldig an. »Und zieh dir Schuhe an, Herrgott nochmal! Muss ich dir denn alles erklären?«
Das Fotoshooting fand in einem Herrensitz in Hertfordshire statt. Anfangs hatte sich Josie noch dafür interessiert, wer in diesen Villen wohnte, und sich neugierig umgesehen. Inzwischen war ihr das völlig egal. Es war einfach nur ein Job wie jeder andere und die Villa eine Kulisse. Sie hätte ebenso gut wieder in Beetles Studio posieren können, dort würde sie wenigstens nicht andauernd herumkommandiert werden: »Stell dich dort hin. Kopf zurück. Arme nach oben. Arme nach unten. Zur Seite drehen. Schüttel die Haare aus.«
Während der Fahrt starrte Josie teilnahmslos aus dem Fenster in den stahlgrauen Himmel. Sie saß in der Falle und wusste keinen Ausweg. In einem Magazin hatte sie gelesen, dass sie eins der höchstbezahlten Modelle der Welt sei. Doch von all dem Geld sah sie herzlich wenig. Mark meinte, sie solle nicht alles glauben, was geschrieben wurde, und dass nach Abzug der Unkosten nicht viel übrig bliebe. Sie glaubte ihm kein Wort, aber wen hätte sie fragen können? Mark sorgte dafür, dass sie keine Gelegenheit bekam, mit jemandem zu sprechen. In Gegenwart von Journalisten wich er nicht von ihrer Seite, und er steuerte sämtliche Interviews. Sie durfte nirgendwo ohne seine Erlaubnis hingehen, und obwohl sie die Nächte meistens allein verbrachte, konnte sie nicht ausgehen, ohne dass er davon erfuhr: Sie war einfach zu bekannt.
Sie war sein Privateigentum geworden, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.
Josie sah das Gesicht ihrer Mutter vor sich. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie an ihre letzte Begegnung dachte. Eine Mutter wie Violet sei ihr Untergang, hatte Mark behauptet. Damit mochte er Recht haben, aber war es nötig gewesen, Violet auf so herzlose Weise abzuwimmeln?
Im vergangenen Februar war Josie an einer schweren Grippe erkrankt. Zufällig hatte Ellen angerufen – von einer Telefonzelle aus, weil gerade Schulferien waren und sie nach Hause gefahren war. Josie hatte das Heimweh gepackt. Sie gebe alles dafür, wenn sie ihre Mutter sehen könnte, sagte sie.
Sie hätte nie gedacht, dass Violet darauf reagieren würde. Albert hatte ihr schließlich jeden weiteren Kontakt mit ihrer Tochter verboten. Doch Violet setzte sich darüber hinweg und stieg in den nächsten Zug nach London. Sie war nur ein einziges Mal in der Hauptstadt gewesen, zusammen mit ihrem Mann, als sie versucht hatten, über die Redaktion des Mirror herauszufinden, wo ihre Tochter sich aufhielt. Man hatte sie so unfreundlich behandelt, dass sie sich geschworen hatten, nie wieder hierher zu kommen.
Und dann war Violet doch wieder nach London gefahren und hatte ganz allein den Weg zu Josies Wohnung gefunden. Josie hätte fast der Schlag
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