Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
fast im fünften Monat, als ich von zu Hause wegging, das konnte schlecht blinder Alarm gewesen sein, oder?«
Josie besaß immerhin so viel Anstand, ein zerknirschtes Gesicht zu machen. »Ich hab dir doch geschrieben, du könntest mir alles erzählen, weil Mum deine Briefe nicht lesen würde.«
»Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Ich hab dir meine Telefonnummer gegeben; ich dachte, du würdest mich mal von einer Zelle aus anrufen. Du hast dir ja ungefähr ausrechnen können, wann Catherine zur Welt kommt.«
»Catherine!« Josie schaute überrascht und beinah beschämt drein. »Dann war es also ein Mädchen?«
Ellen nickte. Doch anstatt ihr weitere Fragen zu stellen, wie sie erwartet hatte, wechselte Josie das Thema und beschrieb die Möbel, die sie kaufen wollte, wenn sie erst einmal das große Geld verdienen würde.
»Ich möchte unbedingt so einen großen, modernen Drehstuhl haben, so einen, der wie ein Ei aussieht«, schwärmte sie. »In der Modelagentur haben sie so einen.«
»Ich hätte gute Lust, dich in so ein Ding zu stecken und zu drehen, bis dir schlecht wird«, fuhr Ellen sie an. »Ist es dir eigentlich völlig egal, was aus mir und meinem Kind geworden ist? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie das war?«
Josie machte große Augen. »Aber du hast es doch zur Adoption freigegeben, denke ich. Es ist vorbei.«
»Es wird nie vorbei sein«, entgegnete Ellen grimmig. »Ich muss andauernd an sie denken, und ich glaube nicht, dass sich daran je etwas ändern wird. Du könntest ruhig ein wenig Mitgefühl zeigen. Immerhin war sie deine Nichte.«
Josie stand auf und schlenderte in die Küche, um sich Apfelwein nachzuschenken. »Du wirst bestimmt bald heiraten, und dann kannst du ja wieder eins haben«, rief sie durch die Tür.
Als sie am nächsten Abend im Bus nach Bristol saß, dachte Ellen über Josies Gefühllosigkeit nach. Ihre Schwester war einfach noch zu jung; sie konnte nicht nachvollziehen, was es bedeutete, sein eigen Fleisch und Blut wegzugeben. Ihrer eigenen Mutter gegenüber war sie genauso hartherzig gewesen: Violets Gefühle ließen sie völlig kalt.
Ellen brachte es nicht über sich, Josie eine leidvolle Erfahrung zu wünschen, die ihr die Augen öffnen würde. Josie glaubte, die ganze Welt liege ihr zu Füßen, und Ellen hoffte inständig für sie, dass ihre Träume von Ruhm und Reichtum sich erfüllen würden.
14. Kapitel
1966
K omm schon, Jojo.« Mark schlug die Bettdecke zurück, fasste Josie an den Armen und zwang sie, sich aufzusetzen. »Heute steht das Shooting für die Vogue an.«
»Ich kann nicht, ich bin müde«, quengelte Josie und wollte sich wieder hinlegen.
Es war Mitte November und noch dunkel draußen. Aber es musste sieben Uhr sein, wenn Mark schon da war.
Er zerrte sie hoch und drückte ihr eine Tasse Kaffee in die Hand. »Trink das und schluck die Dinger da«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf die leuchtend roten Pillen auf ihrem Nachttisch. »Wenn du gebadet hast, fühlst du dich wieder topfit.«
Josie öffnete mühsam die von falschen Wimpern und Wimperntusche verklebten Augen. Eigentlich hätte sie sich vor dem Zubettgehen abschminken sollen, aber sie war viel zu betrunken gewesen. Sie griff nach den Tabletten, die Mark hingelegt hatte, warf sie in den Mund und spülte sie mit Kaffee hinunter.
Mark musterte sie verächtlich. »Du siehst zum Kotzen aus«, schimpfte er. »Reiß dich gefälligst zusammen, sonst lass ich dich fallen und such mir jemand anders.«
Josie war zu müde, um zu kontern. Außerdem war sie sich sicher, dass er sie nicht fallen lassen würde. Sie war viel zu berühmt. Alle rissen sich um sie, die Modejournale und die großen Konzerne, für die sie für Shampoo, Make-up und Parfüm warb.
Dennoch gefiel ihr nicht, wie ekelhaft Mark in letzter Zeit zu ihr war. Er schlief nicht einmal mehr mit ihr. Vergangene Nacht, als sie auf der Presseparty zu viel getrunken hatte, hatte er sie nach Hause gebracht, die Treppe hinaufgetragen, aufs Bett geworfen und war einfach gegangen.
Er ließ ihr ein Bad ein, und sie stand vorsichtig auf und warf sich ihren Morgenmantel über. Ein Blick in den Spiegel zeigte ihr, dass Mark Recht hatte: Sie sah wirklich zum Fürchten aus. Ihre Haut war ganz grau, und sie hatte dunkle Schatten unter den Augen.
Nachdem sie gebadet und sich die Haare gewaschen hatte, fühlte sie sich besser. Das Aufputschmittel begann zu wirken. Sie schlüpfte in saubere Unterwäsche, Jeans und Sweater. Um ihr Make-up oder ihre
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