Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
gehabt, einen anstrengenden Beruf. Aber das sind doch alles keine einleuchtenden Gründe. Wenn Sie mich fragen, dann war Ellen ein selbstsüchtiges Biest und sonst gar nichts.«
Diese Gehässigkeit verschlug Daisy einen Augenblick die Sprache. »Sie machen ja keinen Hehl aus Ihrer Abneigung.«
Tim lief rot an. »O Mann, jetzt hab ich den Mund zu weit aufgerissen, nicht wahr? Ich wollte Sie nicht verletzen, aber meine Großmutter ist eine der liebenswertesten, warmherzigsten Frauen, die es auf dieser Welt gibt. Sie erwartet nichts von anderen, sie gibt nur. Ellen muss das gewusst haben. Deshalb kann ich auch keine Entschuldigungen gelten lassen.«
Daisy konnte seine Einstellung verstehen. »Sind Sie oft bei Ihrer Großmutter zu Besuch?«, fragte sie.
»Sooft ich es irgendwie einrichten kann. Ich unterrichte an einem Internat bei Exeter und verbringe normalerweise die Ferien hier. Als Kind war ich fast andauernd bei ihr. Meine Mutter war eine Karrierefrau und hat mich oft genug bei Gran abgegeben.«
»Haben Sie Ellen eigentlich persönlich gekannt?«
»Ja, sie war ein paarmal zu Besuch, als ich hier war. Sie war ganz nett, hat mich nach der Schule und so gefragt, aber sie hat keinen großen Eindruck bei mir hinterlassen. Sie wissen doch, wie das ist: Als Kind nimmt man Erwachsene nur zur Kenntnis, wenn sie einem Geld schenken oder sich komisch benehmen. Ihre Tante Josie dagegen ist mir sehr gut in Erinnerung geblieben, obwohl ich sie nur ein einziges Mal traf.«
»Warum, hat sie Ihnen Geld gegeben oder sich komisch benommen?«, scherzte Daisy und schmunzelte. Tims Offenheit war ihr sympathisch.
»Nein, das nicht«, erwiderte er lachend. »Aber sie hat mit mir geflirtet, und das hat mich schier umgehauen. Schließlich war ich ein pickliger Achtzehnjähriger, und sie war eine Klassefrau und berühmt.«
»Berühmt?« Daisy blieb abrupt stehen. »Weswegen?«
Tim sah sie verwirrt an. »Wissen Sie denn nicht, wer sie war?«
Daisy schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur, dass Ellen eine jüngere Schwester namens Josie hatte. Und die kam, wie ich heute erfahren habe, offenbar bei dem Brand damals ums Leben.«
»Josie war Jojo, das Model! Nie gehört?«
Daisy zog die Stirn kraus. Irgendwie kam ihr der Name bekannt vor, vielleicht hatte sie ihn einmal im Radio gehört oder in einer Illustrierten gelesen.
»Selbst wenn – woher hätte ich wissen sollen, dass sie meine Tante ist? Neunzehnhundertachtundsiebzig, als sie starb, war ich gerade mal vierzehn.«
Tim machte ein verlegenes Gesicht. »Sie haben Recht. Dumm von mir. Ich dachte, vielleicht hätte die Ärztin in Bristol Ihnen von ihr erzählt.«
»Nein, kein Wort.«
»Jojo war in den späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahren so bekannt wie Twiggy oder Jean Shrimpton. Sie war eins der Gesichter der Sechzigerjahre.«
»Im Ernst?« Die ganze Geschichte wurde immer sonderbarer, fand Daisy.
»Als sie auf der Höhe ihres Ruhmes war, war ich noch zu klein, um mich für sie zu interessieren«, bemerkte er grinsend. »Und als ich dann alt genug war, so mit vierzehn, ging es mit ihr bereits abwärts. Sie trieb sich mit Rockstars herum, nahm Drogen und war für ihre Exzesse bekannt. Für einen Jungen, der in der Abgeschiedenheit eines Internats lebte, war das alles natürlich wahnsinnig spannend, zumal sie aus dem Dorf kam, in dem meine Großmutter wohnte.
Ich hab jede Zeile gelesen, die in den Zeitungen über sie geschrieben wurde. In ihrer Glanzzeit waren überall ihre Fotos abgebildet. Sie wissen schon, Minirock, riesengroße Augen, tiefes Dekolletee. Ich wurde fast selbst so was wie eine Berühmtheit, weil ich jemanden kannte, der sie kannte. Persönlich kennen gelernt habe ich sie aber erst am Tag, bevor die Farm abbrannte. Sie war in der Post und hat mich angesprochen.«
Ein Lächeln spielte um Daisys Lippen, als sie sich eine Gruppe Halbwüchsiger vorstellte, die Fotos von Jojo anhimmelten. »Ich bin, ehrlich gesagt, ziemlich durcheinander«, gestand sie. »Erst die Sache mit dem Feuer und jetzt das. Ich bin gespannt, was Ihre Großmutter mir noch alles erzählen wird.«
Tim schwieg einen Augenblick. Er hob einen Stock auf und warf ihn, und Fred sauste los, um ihn zu holen. »Man muss vorsichtig sein, wenn man mit ihr über Ellen spricht. Ein falsches Wort, und sie wird ungemütlich. Und bei Josie ist sie genauso empfindlich. Meine Großmutter ist in vielerlei Hinsicht eine sehr aufgeschlossene alte Dame, aber einiges von dem, was ihr über Josie zu Ohren
Weitere Kostenlose Bücher