Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)
sich die kleinen Geschäfte im Dorf angesehen. Daisy war im Begriff, sich in Bristol zu verlieben. Vielleicht lag es daran, dass sie hier geboren war. Auf unerklärliche Weise fühlte sie sich in Bristol zu Hause.
Nachdem sie ihre Sachen in die Pension gebracht hatte, war sie noch einmal ausgegangen, hatte sich in einen hundefreundlichen Pub gesetzt und auf dem Rückweg eine Portion Fisch und Fritten mitgenommen. Und jetzt saß sie da und dachte nach. Dr. Fordhams Worte stimmten sie traurig. Allem Anschein nach war Ellen eine kleine Unschuld vom Lande gewesen, unfähig, sich gegen die berechnende Frau, für die sie gearbeitet hatte und die ihre eigenen Pläne durch das Baby gefährdet sah, durchzusetzen. Wenn ihr wirklich etwas an Ellen gelegen hätte, hätte sie dann nicht dafür gesorgt, dass sie ihr Kind und ihren Job behalten konnte?
»Aber so sind die Menschen nun mal, stimmts, Fred?« Sie streichelte ihn abwesend. »Was meinst du, sollen wir noch eine Nacht bleiben, oder fahren wir gleich nach Devon weiter?«
Fred hatte die Augen schon halb geschlossen, als wollte er sagen, das sei ihm völlig egal, Hauptsache, er bekomme endlich seinen wohlverdienten Schlaf.
Nach einem weiteren Tag in Bristol brach Daisy am frühen Mittwochmorgen nach Cornwall auf. Sie wollte auf direktem Weg nach Mawnan Smith, dort übernachten und am nächsten Tag nach St. Mawes weiterfahren, wo sie das Ferienhäuschen gemietet hatte.
In Bodmin begann es zu regnen, aber nicht einmal die Regenwolken vermochten die herbe Schönheit der Landschaft zu beeinträchtigen. Als sie sich Truro näherte, wurde Daisy ganz aufgeregt. Endlich würde sie all die Orte kennen lernen, die Daphne du Maurier in ihren Romanen verewigt hatte. Als Teenager hatte sie fast alle ihre Bücher gelesen und war durch sie mit Cornwall vertraut geworden. Sie hatte ja bei der Lektüre von Die Bucht des Franzosen nicht ahnen können, dass ihre leibliche Mutter ganz in der Nähe aufgewachsen war.
Kurz nach zwei erreichte sie Mawnan Smith. Sie parkte mitten im Ort vor einer Zeile von Geschäften und betrachtete die Häuser einen Augenblick. Sie waren im Stil der späten Sechziger- und Siebzigerjahre aus dem Stein erbaut, der für die Gegend charakteristisch war. Wo mochte die Farm ihres Großvaters liegen? Ob Mrs. Peters immer noch hier wohnte?
Sie beschloss, sich im Postamt zu erkundigen, einem der wenigen Gebäude, die aussahen, als stünden sie schon fünfzig Jahre da.
»Mrs. Peters?« Die stämmige Frau in dem geblümten Overall strahlte Daisy an. »Aber ja, die wohnt noch hier, ihr Mann allerdings ist vor ein paar Jahren gestorben. Fahren Sie einfach weiter die Straße rauf, am Pub vorbei. ›Swallow’s‹ heißt ihr Haus.«
Da Fred schon ganz unruhig war, nahm Daisy ihn an die Leine und schlenderte mit ihm die Straße hinauf. Es hatte aufgehört zu regnen, die Sonne schien. Daisy ahnte, welches Haus das »Swallow’s« war, noch bevor sie das Schild am Gartentor erkennen konnte. Von so einem Häuschen träumte jeder Londoner: weiß gestrichen, mit kleinen Sprossenfenstern, einer von Rosen eingerahmten Haustür und einer alten, von einer purpurrot blühenden Kletterpflanze überwucherten Gartenmauer. Ein jüngerer Mann arbeitete im Vorgarten.
Daisy zögerte. Sollte sie ihn ansprechen? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, weil der Mann sich aufrichtete, ihr zulächelte und »Hallo« sagte.
Daisy lächelte zurück. Er sah gut aus, war etwa Anfang dreißig und hatte längeres blondes Haar und leuchtend blaue Augen.
»Netter Hund«, meinte er und beugte sich über die Mauer, um Fred besser sehen zu können. »Ich mag Westhighland-Terrier. Ich sage immer, große Hunde in einem kleinen Anzug, nicht wahr?«
Fred stellte sich mit den Vorderpfoten gegen die Mauer und machte: »Wuff!«
»Ich glaube, Fred gefällt die Beschreibung«, erwiderte Daisy lächelnd.
»Machen Sie hier Urlaub? Ich frage nur, weil ich Sie noch nie hier gesehen hab.«
»Eigentlich komme ich in einer bestimmten Angelegenheit«, bekannte Daisy. »Ich suche Mrs. Peters. Im Postamt sagte man mir, sie wohne hier.«
Er nickte. »Sie ist meine Großmutter. Treten Sie nur ein, sie freut sich über jeden Besuch.«
»Ich kann doch den Hund nicht mit hineinnehmen.« Daisy war ein bisschen nervös geworden, weil ihr keine Gelegenheit blieb, sich auf die Begegnung einzustellen. »Ich wollte nur einen kleinen Spaziergang mit ihm machen und ihn dann zum Auto zurückbringen.«
»Kommt nicht infrage.«
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