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Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
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Krabben durch das seichte Wasser waten sehen. Alles schien ihr so vertraut, als hätte sie die Erinnerung an diesen Ort im Mutterleib mitbekommen.
    »Als ich klein war, hab ich mir immer gewünscht, die Farm würde meinem Großvater gehören«, gestand Tim. Er warf ein paar Steine ins Wasser. »Ich konnte mir keinen schöneren Fleck auf Erden vorstellen.«
    Daisy blickte sich ehrfürchtig um. Um diese Jahreszeit hatten sich noch keine Touristen hierher verirrt. Abgesehen vom gleichmäßigen Rauschen der Wellen und dem Kreischen der Möwen herrschte eine tiefe, himmlische Ruhe. Die Rührung schnürte Daisy die Kehle zusammen.
    »Und trotzdem ist Ellen schwanger geworden und nach Bristol gezogen, und Josie wurde Model und ging auch fort«, sagte sie seufzend. »Ich glaube, mich hätten keine zehn Pferde von hier fortgebracht.«
    »Als Josie von zu Hause weglief, war sie auch erst fünfzehn«, erklärte Tim. »Aber wir sehen das alles hier aus einer anderen Perspektive. Wir wissen, was es heißt, in einer Großstadt zu leben; wir mussten in unserer Kindheit nicht auf Komfort oder die Gesellschaft von Freunden verzichten. Ellen war diejenige, die die Farm immer geliebt hat, aber als sie sie schließlich erbte, konnte sie sie gar nicht schnell genug loswerden.«
    Als sie viel später an diesem Nachmittag in Mavis Peters’ Haus am Kamin saßen, in dem ein Feuer brannte, weil es kühl geworden war, erzählte Mavis, wie sie Ellen kennen gelernt hatte. Daisy lauschte wie gebannt den Geschichten über die primitiven Lebensbedingungen auf der Farm, über den schwierigen, wortkargen Albert und seine lieblose, schlampige Frau Violet.
    Danach berichtete sie, wie es gekommen war, dass Ellen nach Bristol gegangen war, um dort ihr Baby zur Welt zu bringen.
    »Ich weiß bis heute nicht, ob mein Rat damals richtig gewesen war oder nicht«, bekannte sie seufzend. »Vielleicht hätte ich ihr raten sollen, sich ihrem Vater anzuvertrauen.«
    »Ich bezweifle, dass das die bessere Lösung gewesen wäre«, meinte Daisy versonnen. »Und ich hatte mit Sicherheit eine schönere Kindheit, als Ellen sie mir je hätte bieten können.«
    »Aber sie ist nie darüber hinweggekommen, dass sie ihr Kind weggegeben hat«, entgegnete Mavis mit aufrichtigem Mitgefühl. »Sie hat sich ein schönes Leben gemacht, hart gearbeitet, Freunde gefunden. Aber obwohl sie immer behauptete, sie sei damit fertig geworden, konnte ich ihre Traurigkeit spüren. Ich habe lange gehofft, sie würde einen netten jungen Mann kennen lernen, heiraten und Kinder bekommen, doch sie meinte, ihre Aufgabe im Leben sei es, anderen Kindern zu helfen, jenen, die sie wirklich brauchten. Sie nahm das sehr ernst und ging vollkommen in ihrer Arbeit auf – sie hat sogar ihr Äußeres darüber vernachlässigt.«
    Mavis schüttelte den Kopf, als könnte sie es noch immer nicht begreifen. »Manchmal, wenn sie zu Besuch kam, habe ich auf sie eingeredet, sie ermuntert, ihr wunderschönes Haar offen zu tragen, sich ein bisschen zu schminken und ein paar hübsche Kleider zu kaufen. Aber sie lachte nur und erwiderte, das überlasse sie Josie, die sei umwerfend genug für sie beide.«
    »War sie nur deshalb traurig, weil sie mich weggeben musste? Oder hatte mein Vater sie so tief verletzt?«, hakte Daisy nach. »Wissen Sie etwas über ihn?«
    »Ja, in der Tat«, antwortete Mavis mit einem nervösen Seitenblick auf Tim. Anscheinend hatte sie bisher nicht einmal ihn in das Geheimnis eingeweiht.
    »Erzählen Sie mir von ihm«, bat Daisy. »Das ist alles so lange her; Ellen hätte bestimmt nichts dagegen. War er verheiratet? Hat sie deshalb geschwiegen?«
    »Nein, verheiratet war er nicht, jedenfalls soweit Ellen wusste. Es war nur sein Beruf und die Tatsache, dass er sie einfach sitzen ließ. Er war beim Zirkus.«
    Daisy riss verblüfft die Augen auf. Dann fing sie an zu kichern. »Erzählen Sie mir jetzt bloß nicht, er war ein Clown! Das würde ich nicht überleben.«
    Tim lachte, und seine Großmutter warf ihm einen strafenden Blick zu. »Nein, er war Trapezkünstler.«
    »Wirklich? Das ist ja großartig!«, freute sich Daisy. »Sie nehmen mich doch nicht auf den Arm, oder?«
    »Aber keineswegs. Albert hätte das mitnichten großartig gefunden; seine Tochter hätte genauso gut ein Verhältnis mit dem Teufel höchstpersönlich haben können. Aber das spielt alles keine Rolle mehr. Der Zirkus zog weiter, bevor Ellen auch nur ahnte, dass sie schwanger war, und der junge Mann verabschiedete sich nicht

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