Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition)

Titel: Wenn tausend Sterne fallen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LESLEY PEARSE
Vom Netzwerk:
Wiedersehen noch einmal hatte Revue passieren lassen.
    Lag es vielleicht am Schock? Nach Jahrzehnten unverhofft mit der eigenen Tochter konfrontiert zu werden, musste einem ganz schön an die Nieren gehen. Daisy war gespannt, wie das Treffen am Freitag verlaufen würde, wenn Ellen Zeit gehabt hätte, sich zu sammeln.
    Gegen sechs Uhr rief Joel an. Wenn man bedachte, wie sie ihn das letzte Mal abgefertigt und sich danach nicht mehr bei ihm gemeldet hatte, war er sehr freundlich. Er fragte, ob sie einen schönen Urlaub verbracht habe, wie das Haus gewesen sei und ob das Auto durchgehalten habe. Doch hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, über Ellen zu reden, und dem Versprechen, es nicht zu tun, war Daisy innerlich so angespannt, dass seine Fragerei sie nur nervte.
    »Was ist das, ein Verhör?«
    »Spinnst du? Das sind ganz normale Fragen, wenn jemand im Urlaub war.«
    »Ach, ich spinne, ja? Wenn das so ist, beenden wir das Gespräch doch lieber gleich!« Und zum zweiten Mal knallte sie den Hörer einfach auf die Gabel.
    Ihr Vater stand oben an der Treppe und schüttelte fassungslos den Kopf. »Meine Herren, Daisy! Behandelt man so einen Mann, der so viel Anteilnahme und Mitgefühl bewies, als deine Mutter starb?«
    »Er ist ein Arsch und hat es nicht anders verdient«, versetzte sie wütend. Sie rannte in ihr Zimmer und ließ sich den ganzen Abend nicht mehr blicken.
    Daisy schämte sich. Sie hatte Joel Unrecht getan, sie wusste es, aber im Moment erschien ihr Ellen wichtiger als alles andere. Sie wollte allein sein und über sie nachdenken. Sie konnte es nicht ertragen, dass ihr irgendjemand irgendwelche Fragen stellte.
    Mittwoch, Donnerstag und Freitag zogen sich endlos hin. Daisy putzte, polierte, räumte auf, bis es nichts mehr zu tun gab. Sie kochte Mahlzeiten und fror sie ein, mähte den Rasen, strich die Gartenmöbel und jätete Unkraut. Am Freitagnachmittag ging sie zum Friseur und kaufte sich einen schicken elfenbeinfarbenen Pullover. Ihr war nämlich der Gedanke gekommen, Ellen könne sie in ihrem schwarzen Kostüm für fade oder durchschnittlich gehalten haben.
    Am Freitagabend machte sie sich kurz nach sieben auf den Weg nach Primrose Hill. Daheim hatte sie erzählt, sie besuche eine Freundin. Trotz des Kribbelns im Bauch war sie optimistisch. Ihr neuer Pullover passte wunderbar zu ihrer Lieblingshose aus braunem Samt. Dazu trug sie eine Halskette aus großen Bernsteinbrocken, die Lorna gehört hatte. Der Haarschnitt hatte wahre Wunder gewirkt, und da sie die Haare an der Luft hatte trocknen lassen, fielen ihre Korkenzieherlocken besonders schön. Kein Mensch sollte ihr vorwerfen können, fade oder durchschnittlich zu sein.
    Askwith Court war leicht zu finden. Die meisten Häuser in der Straße stammten aus der georgianischen oder viktorianischen Epoche, daher fiel das dreistöckige Mehrfamilienhaus im unverkennbar langweiligen Stil der Sechzigerjahre mit großen Panoramafenstern und schmiedeeisernen Balkonen sofort auf. Damit die Wohnungen als »Luxusapartments« hatten verkauft werden können, war die Grünanlage ringsum aufwändig gestaltet worden.
    Daisy stellte den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Haus ab und ging dann zum Vordereingang. Da der Klingelknopf für Wohnung neun der oberste war, nahm sie an, Ellens Wohnung lag im obersten Stock. Sie drückte auf den Knopf. Sekunden später tönte Ellens Stimme aus der Sprechanlage.
    »Ich bin es. Daisy.« Die Tür öffnete sich mit einem Summen.
    Die Treppe war mit Teppichboden ausgelegt, aber es gab keinen Lift. Daisy war ganz außer Atem, als sie oben ankam. Ellen blickte lächelnd auf sie hinunter.
    »Na, außer Puste? Ich frage mich manchmal, warum ich ausgerechnet eine Wohnung im obersten Stock ausgesucht habe. Aber ich glaube, das Treppensteigen hält mich fit.«
    »Fit« war gar kein Ausdruck. Sie sah umwerfend aus in ihrem cremefarbenen Hosenanzug. Kein Mensch würde vermuten, dass sie dreiundvierzig war. Als sie Daisy umarmte, wurde diese von einer himmlischen Duftwolke eingehüllt.
    »Ich habe die vergangenen Tage nur an dich gedacht«, bekannte Ellen und drückte sie fest. »Die Zeit wollte überhaupt nicht vorbeigehen.«
    Die erhoffte, aber unerwartete Begrüßung rührte Daisy zu Tränen. »Mir gings genauso. Ich hatte solche Angst, ich hätte dich völlig verschreckt.«
    »Dazu braucht es schon mehr.« Ellen lachte. »Komm rein, ich hab schon den Champagner kalt gestellt. Du siehst übrigens toll aus. Ich hab genau die gleichen Haare

Weitere Kostenlose Bücher